Juli-August 1882 1 [1-112]
1 [42]
Warum liebe ich die Freigeisterei? Als letzte Consequenz der bisherigen Moralität. Gerecht sein gegen Alles, über Neigung und Abneigung hinweg, sich selber in die Reihe der Dinge einordnen, über sich sein, die Überwindung und der Muth nicht nur gegen das Persönlich-Feindliche, Peinliche, auch in Hinsicht auf das Böse in den Dingen, Redlichkeit, selbst als Gegnerin des Idealismus und der Frömmigkeit, ja der Leidenschaft, sogar in Bezug auf die Redlichkeit selber; liebevolle Gesinnung gegen Alles und Jedes und guter Wille, seinen Werth zu entdecken, seine Berechtigung, seine Nothwendigkeit. Auf Handeln verzichten (Quietismus) aus Unvermögen zu sagen: “es soll anders sein”—in Gott ruhen, gleichsam in einem werdenden Gotte.
Als Mittel dieser Freigeisterei erkannte ich die Selbstsucht als nothwendig, um nicht in die Dinge hinein verschlungen zu werden: als Band und Rückhalt. Jene Vollendung der Moralität ist nur möglich in einem Ich: insofern es sich lebendig, gestaltend, begehrend, schaffend verhält, und in jedem Augenblick dem Versinken in die Dinge widerstrebt, erhält es sich seine Kraft, immer mehr Dinge in sich aufzunehmen und in sich versinken zu machen. Die Freigeisterei ist also im Verhältniß zum Selbst und zur Selbstsucht ein Werden, ein Kampf zweier Gegensätze, nichts Fertiges, Vollkommenes, kein Zustand: es ist die Einsicht der Moralität, nur vermöge ihres Gegentheils sich in der Existenz und Entwicklung zu erhalten.