Juni-Juli 1885 37 [1-18]
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Man kann nicht hoch genug von den Frauen denken: aber deshalb braucht man noch nicht falsch von ihnen zu denken. Man soll darin gründlich auf der Hut sein. Daß sie selber im Stande wären, die Männer über “das ewig-Weibliche” aufzuklären, ist unwahrscheinlich; sie stehn sich vielleicht zu nahe dazu,—und überdies ist alles Aufklären selber—bisher wenigstens—Männer-Sache und Männer-Gabe gewesen. Endlich darf man bei alledem, was Weiber über das Weib schreiben, ein gutes Mißtrauen sich vorbehalten: nämlich ob nicht, ganz unwillkürlich, ein Weib, auch wenn es schreibt, zuletzt thun muß, was—bisher wenigstens—ewig-weiblich war: nämlich “sich putzen”! Hat man jemals einem Weibskopfe schon Tiefe zugestanden? Und einem Weibs-Herzen—Gerechtigkeit? Ohne Tiefe aber und Gerechtigkeit—was nützt es, wenn Weiber “über das Weib” urtheilen! Mit der Liebe und dem Lobe selbst wenn man sich selber liebt und lobt, ist sicherlich die Gefahr nicht vermindert, ungerecht und flach zu sein. Mögen manche Frauen einen guten Grund haben, zu denken, daß ihnen die Männer nicht mit Lob und Liebe entgegenkommen: ganz im Großen gerechnet, dünkt mich, daß bisher “das Weib” am meisten von den Weibern gering geachtet worden ist—und durchaus nicht vom Manne!