Juni-Juli 1885 37 [1-18]
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In Aphorismen-Büchern gleich den meinigen stehen zwischen und hinter kurzen Aphorismen lauter verbotene lange Dinge und Gedanken-Ketten; und Manches darunter, das für Oedipus und seine Sphinx fragwürdig genug sein mag. Abhandlungen schreibe ich nicht: die sind für Esel und Zeitschriften-Leser. Ebensowenig Reden. Meine “unzeitgemäßen Betrachtungen” richtete ich als junger Mensch an junge Menschen, welchen ich von meinen Erlebnissen und Gelöbnissen sprach, um sie in meine Labyrinthe zu locken, an deutsche Jünglinge: aber man überredet mich zu glauben, daß die deutschen Jünglinge ausgestorben seien. Wohlan: so habe ich keinen Grund mehr, in jener früheren Manier “beredt” zu sein; heute—könnte ich es vielleicht nicht mehr. Wer Tags u Nachts und Jahrein Jahraus mit seiner Seele in vertraulichstem Zwiste und Zwiegespräche zusammengesessen hat, wer in seiner Höhle—es kann ein Labyrinth u auch ein Goldschacht sein—zum Höhlenbär oder Schatzgräber wurde, wer wie ich sich allerhand Gedanken, Bedenken und Bedenkliches durch den Kopf über das Herz laufen ließ und läßt, das er nicht immer mittheilen würde, selbst wenn er Geister seiner Art und ausgelassene tapfere Kameraden um sich hätte: dessen Begriffe selber erhalten zuletzt eine eigene Zwielicht-Farbe, einen Geruch ebensosehr der Tiefe als des Moders; etwas Unmittheilsames und Widerwilliges, welches jeden Neugierigen kalt anbläst:—und eine Einsiedler-Philosophie, wenn sie selbst mit einer Löwenklaue geschrieben wäre, würde doch immer wie eine Philosophie der “Gänsefüßchen” aussehen.