November 1887 - März 1888 11 [101-200]
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(356) Wie kommt es, daß die Grundglaubensartikel in der Psychologie allesammt die ärgsten Verdrehungen und Falschmünzereien sind? “Der Mensch strebt nach Glück” z.B.—was ist daran wahr! Um zu verstehn, was Leben ist, welche Art Streben und Spannung Leben ist, muß die Formel so gut von Baum und Pflanze als vom Thier gelten. “Wonach strebt die Pflanze?”—aber hier haben wir bereits eine falsche Einheit erdichtet, die es nicht giebt: die “Thatsache eines millionenfachen Wachsthums mit eigenen und halbeigenen Initiativen ist versteckt und verleugnet, wenn wir eine plumpe Einheit “Pflanze” voranstellen. Daß die letzten kleinsten “Individuen” nicht in dem Sinn eines “metaphysischen Individuums” und Atoms verständlich sind, daß ihre Machtsphäre fortwährend sich verschiebt — das ist zuallererst sichtbar: aber strebt ein Jedes von ihnen, wenn es sich dergestalt verwandelt, nach “Glück”?— Aber alles Sich-ausbreiten, Einverleiben, Wachsen ist ein Anstreben gegen Widerstehendes, Beweg[ung] ist essentiell etwas mit Unlustzuständen Verbundenes: es muß das, was hier treibt, jedenfalls etwas Anderes wollen, wenn es dergestalt die Unlust will und fortwährend aufsucht.— Worum kämpfen die Bäume eines Urwaldes mit einander? Um “Glück”?— Um Macht ...
Der Mensch, Herr über die Naturgewalten geworden, Herr über seine eigne Wildheit und Zügellosigkeit: die Begierden haben folgen, haben nützlich sein gelernt
Der Mensch, im Vergleich zu einem Vor-Menschen, stellt ein ungeheures Quantum Macht dar—nicht ein plus vom “Glück”: wie kann man behaupten, daß er nach Glück gestrebt hat?...