November 1887 - März 1888 11 [101-200]
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| (358) | Zur Psychologie und Erkenntnisslehre. |
Ich halte die Phänomenalität auch der inneren Welt fest: alles, was uns bewußt wird, ist durch und durch erst zurechtgemacht, vereinfacht, schematisirt, ausgelegt—der wirkliche Vorgang der inneren “Wahrnehmung,” die Causalvereinigung zwischen Gedanken, Gefühlen, Begehrungen, wie die zwischen Subjekt und Objekt, uns absolut verborgen—und vielleicht eine reine Einbildung. Diese “scheinbare innere Welt” ist mit ganz denselben Formen und Prozeduren behandelt, wie die “äußere” Welt. Wir stoßen nie auf “Thatsachen”: Lust und Unlust sind späte und abgeleitete Intellekt-Phänomene ...
Die “Ursächlichkeit” entschlüpft uns; zwischen Gedanken ein unmittelbares ursächliches Band anzunehmen, wie es die Logik thut—das ist Folge der allergröbsten und plumpsten Beobachtung. Zwischen zwei Gedanken spielen noch alle möglichen Affekte ihr Spiel: aber die Bewegungen sind zu rasch, deshalb verkennen wir sie, leugnen wir sie ...
“Denken,” wie es die Erkenntnißtheoretiker ansetzen, kommt gar nicht vor: das ist eine ganz willkürliche Fiktion, erreicht durch Heraushebung Eines Elementes aus dem Prozeß und Subtraktion aller übrigen, eine künstliche Zurechtmachung zum Zweck der Verständlichung ...
Der “Geist,” etwas, das denkt: womöglich gar “der Geist absolut, rein, pur”—diese Conception ist eine abgeleitete zweite Folge der falschen Selbstbeobachtung, welche an “Denken” glaubt: hier ist erst ein Akt imaginirt, der gar nicht vorkommt, “das Denken” und zweitens ein Subjekt-Substrat imaginirt in dem jeder Akt dieses Denkens und sonst nichts Anderes seinen Ursprung hat: d.h. sowohl das Thun, als der Thäter sind fingirt