November 1887 - März 1888 11 [101-200]
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Die Zeit kommt, wo wir dafür bezahlen müssen, zwei Jahrtausende lang Christen gewesen zu sein: wir verlieren das Schwergewicht, das uns leben ließ,—wir wissen eine Zeit lang nicht, wo aus, noch ein. Wir stürzen jählings in die entgegengesetzten Werthungen, mit dem gleichen Maaße von Energie, mit dem wir Christen gewesen sind—mit dem wir die unsinnige übertreibung des christlichen — — —
1) die “unsterbliche Seele”; der ewige Werth der “Person” —
2) die Lösung, die Richtung, die Werthung im “Jenseits” —
3) der moralische Werth als oberster Werth, das “Heil der Seele” als Cardinal-Interesse —
4) “Sünde,” “irdisch,” “Fleisch,” “Lüste”—als “Welt” stigmatisirt.
Jetzt ist Alles durch und durch falsch, “Wort,” durcheinander, schwach oder überspannt
| a) b) c) d) e) f) g) | man versucht eine Art von irdischer Lösung, aber im gleichen Sinne, in dem des schließlichen Triumphs von Wahrheit, Liebe, Gerechtigkeit: der Socialismus: “Gleichheit der Person” man versucht ebenfalls das Moral-Ideal festzuhalten (mit dem Vorrang des Unegoistischen, der Selbstverleugnung, der Willens-Verneinung) man versucht selbst das “Jenseits” festzuhalten: sei es auch nur, als antilogisches x: aber man kleidet es sofort so aus, daß eine Art metaphysischer Trost alten Stils aus ihm gezogen werden kann man versucht die göttliche Leitung alten Stils, die belohnende, bestrafende, erziehende, zum Besseren führende Ordnung der Dinge aus dem Geschehen herauszulesen man glaubt nach wie vor an Gut und Böse: so, daß man den Sieg des Guten und die Vernichtung des Bösen als Aufgabe empfindet (—das ist englisch, typischer Fall der Flachkopf John Stuart Mill) die Verachtung der “Naturlichkeit,” der Begierde, des Ego: Versuch selbst die höchste Geistigkeit und Kunst als Folge einer Entpersönlichung und als désintéressement zu verstehn man erlaubt der Kirche, sich immer noch in alle wesentlichen Erlebnisse und Hauptpunkte des Einzellebens einzudrängen, um ihnen Weihe, höheren Sinn zu geben: wir haben auch einen “christlichen Staat,” die christliche “Ehe” — |