Ende 1870 - April 1871 7 [1-204]
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Die Pflanze, die es im rastlosen Kampfe um das Dasein nur zu verkümmerten Blüthen bringt, blickt uns, nachdem sie durch ein glückliches Verhängniß diesem Kampfe enthoben ist, plötzlich mit dem Auge der Schönheit an. [Vgl. Eduard von Hartmann, Philosophie des Unbewußten. Versuch einer Weltanschauung. Berlin: C. Duncker, 1869:225.] Was die Natur mit diesem überall und sofort durchbrechenden Willen der Schönheit uns zu sagen hat, das ist erst an späterer Stelle zu besprechen: hier genüge uns auf diesen Trieb selbst aufmerksam gemacht zu haben, weil wir aus ihm etwas über den Zweck des Staates zu lernen haben. Die Natur strengt sich an zur Schönheit zu kommen: ist diese irgendwo erreicht, dann sorgt sie für die Fortpflanzung derselben: wozu sie einen höchst künstlichen Mechanismus zwischen Thier- und Pflanzenwelt braucht, wenn es gilt die schöne einzelne Blüthe zu perpetuiren. Einen ähnlichen, noch viel künstlicheren Mechanismus erkenne ich im Wesen des Staates, der mir auch, seinem letzten Zweck nach, eine Schutz- und Pflegeanstalt für Einzelne, für den Genius zu sein scheint, so wenig auch der grausame Ursprung und das barbarische Gebahren desselben auf solche Ziele hindeutet. Auch hier haben wir zwischen einem Wahnbilde zu unterscheiden, das wir mit Gier zu erreichen suchen, und einem wirklichen Zwecke, den der Wille durch uns, vielleicht selbst gegen unser Bewußtsein, zu erreichen weiß. Auch in dem ungeheuren Apparat, mit dem das Menschengeschlecht umgeben ist, in dem wilden Durcheinander-Treiben der egoistischen Ziele handelt es sich zuletzt um Einzelne: doch ist dafür gesorgt, daß diese Einzelnen ihrer abnormen Stellung nicht froh werden. Schließlich sind auch sie nichts als Werkzeuge des Willens und haben das Wesen des Willens an sich zu erleiden: aber etwas ist in ihnen, für das der Reigentanz der Gestirne und der Staaten als ein Schauspiel aufgeführt wird. Auch hierin ist die griechische Welt aufrichtiger und einfacher als die anderer Völker und Zeiten: wie überhaupt die Griechen das mit den Genien gemein haben, daß sie wie die Kinder und als Kinder treu und wahrhaftig sind. Nur muß man mit ihnen sprechen können, um sie zu verstehn.
Der griechische Künstler richtet sich mit seinem Kunstwerk nicht an den Einzelnen, sondern an den Staat: und wiederum war die Erziehung des Staates nichts als die Erziehung Aller zum Genuß des Kunstwerks. Alle großen Schöpfungen, der Plastik und Architektur sowohl als der musischen Künste, haben große, vom Staate gepflegte, Volksempfindungen im Auge. Insbesondre ist die Tragödie alljährlich ein feierlich von Staatswegen vorbereiteter und das ganze Volk vereinigender Akt. Der Staat war ein nothwendiges Mittel der Kunstwirklichkeit. Wenn wir aber jene einzelnen Wesen als das eigentliche Ziel der Staatstendenz zu bezeichnen haben, jene in künstlerischer und philosophischer Arbeit sich verewigenden Menschen: so darf uns auch die ungeheure Stärke des politischen, im engsten Sinne des heimatlichen Triebes als eine Bürgschaft erscheinen, daß jene Reihenfolge einzelner Genien eine continuirliche ist, daß der Boden, aus dem sie allein erwachsen können, nicht durch Erdbeben zerrissen und in seiner Fruchtbarkeit gehemmt wird. Damit der Künstler entstehen kann, brauchen wir jenen drohnenartigen, der Sklavenarbeit enthobenen Stand: damit das große Kunstwerk entstehen könne, brauchen wir den concentrirten Willen jenes Standes, den Staat. Denn nur dieser, als magische Kraft, kann die egoistischen Einzelnen zu den Opfern und Vorbereitungen zwingen, die eine Verwirklichung großer Kunstpläne voraussetzt: wozu fast zu allererst die Erziehung des Volkes gehört, deren Ziel die Einsicht in die Exemption jener Einzelnen ist, zusammen mit der Wahnvorstellung, als ob die Menge selbst durch ihre Theilnahme, ihr Urtheil, ihre Bildung die Entfaltung jener Genien zu fördern habe. Hier sehe ich überall nur die Wirkung eines Willens, der um sein Ziel, seine eigne Verherrlichung in Kunstwerken, zu erreichen, zahlreiche in einander verschlungene Wahngebilde über die Augen seiner Geschöpfe legt, die bei weitem mächtiger sind als selbst die verständige Einsicht, daß man getäuscht ist. Je stärker aber der politische Trieb ist, um so mehr ist die continuirliche Abfolge von Genien garantirt: vorausgesetzt, daß nicht der bei weitem überladene Trieb gegen sich selbst zu wüthen anfängt und seine Zähne in das eigne Fleisch schlägt: in welchem Falle Kriege und Parteikämpfe die leidigen Folgen sind. Doch scheint es fast, als ob der Wille von Zeit zu Zeit solche Selbstzerfleischungen als ein Ventil gebraucht, auch hierin seiner entsetzlichen Natur getreu. Wenigstens pflegt der durch solche Ereignisse regulirte politische Trieb mit neuer und überraschender Kraft an der Vorbereitung der Geburt des Genius zu arbeiten. Jedenfalls aber ist festzuhalten, daß in der Überladung des politischen Triebes bei den Griechen die Natur Zeugniß davon ablegt, was sie auf künstlerischem Gebiete diesem Volke zumuthet: in diesem Sinne ist das schreckliche Schauspiel der sich zerreißenden Parteien etwas Verehrungswürdiges: denn mitten aus diesem Sich-Drängen und -Stoßen erhebt sich der nie gehörte Gesang des Genius.
[ ... ] Freilich giebt es eine Seite in der platonischen Auffassung des Weibes, die in schroffem Gegensatze zur hellenischen Sitte stand: Plato giebt dem Weibe völlige Theilnahme an den Rechten, Kenntnissen und Pflichten der Männer und betrachtet das Weib nur als das schwächere Geschlecht, das es in Allem nicht gerade weit bringen werde: ohne ihm doch deshalb das Anrecht auf jenes Alles streitig zu machen. Dieser fremdartigen Anschauung haben wir nicht mehr Werth beizulegen als der Vertreibung des Künstlers aus dem Idealstaate: es sind dies kühn verzeichnete Nebenlinien, gleichsam Abirrungen der sonst so sichren Hand und des so ruhig betrachtenden Auges, das sich mitunter einmal, im Hinblick auf den verstorbenen Meister, unmuthsvoll trübt: in dieser Stimmung übertreibt er die Paradoxien desselben und thut sich ein Genüge, seine Lehren recht excentrisch, bis zur Tollkühnheit, im Übermaß seiner Liebe, zu steigern. Das Innerste aber, was Plato als Grieche über die Stellung des Weibes zum Staat sagen konnte, war die Forderung, daß im vollkommnen Staate die Familie aufhören müsse. Sehen wir jetzt davon ab wie er, um diese Forderung rein durchzuführen, selbst die Ehe aufhob und an deren Stelle feierliche von Staats wegen angeordnete Vermählungen zwischen den tapfersten Männern und den edelsten Frauen setzte, zur Erzielung eines schönen Nachwuchses. In jenem Hauptsatze aber hat er eine wichtige Vorbereitungsmaßregel des hellenischen Willens zur Erzeugung des Genius auf das deutlichste—ja zu deutlich, beleidigend deutlich—bezeichnet. Aber auch in der Sitte des hellenischen Volks war das Anrecht der Familie auf Mann und Kind auf das geringste Maaß beschränkt: der Mann lebte im Staate, das Kind wuchs für den Staat und an der Hand des Staates. Der griechische Wille sorgte dafür, daß nicht in der Abgeschiedenheit eines engen Kreises sich das Kulturbedürfniß zu befriedigen wußte. Vom Staate hatte der Einzelne alles zu empfangen, um ihm alles wiederzugeben. Das Weib bedeutet demnach für den Staat, was der Schlaf für den Menschen. In seinem Wesen liegt die heilende Kraft, die das Verbrauchte wieder ersetzt, die wohlthätige Ruhe, in der sich alles Maßlose begrenzt, das ewig Gleiche, an dem sich das Ausschreitende, Überschüssige reguliert. In ihm träumt die zukünftige Generation. Das Weib ist mit der Natur näher verwandt als der Mann und bleibt sich in allem Wesentlichen gleich. Die Kultur ist hier immer etwas Äußerliches, den der Natur ewig getreuen Kern nicht Berührendes, deshalb durfte die Kultur des Weibes dem Athener als etwas gleichgültiges, ja—wenn man sie nur sich vergegenwärtigen wollte, als etwas Lächerliches erscheinen. Wer daraus sofort die Stellung des Weibes bei den Griechen als unwürdig und allzu hart zu erschließen sich gedrungen fühlt, der soll nur ja nicht die “Gebildetheit” des modernen Weibes und deren Ansprüche zur Richtschnur nehmen, gegen welche es einmal genügt, auf die olympischen Frauen sammt Penelope Antigone Elektra hinzuweisen. Freilich sind dies Idealgestalten: aber wer möchte aus der jetzigen Welt solche Ideale erschaffen können?— Sodann ist doch zu erwägen, was für Söhne diese Weiber geboren haben und was für Weiber es gewesen sein müssen, um solche Söhne zu gebären!— Das hellenische Weib, als Mutter, mußte im Dunkel leben, weil der politische Trieb, sammt seinen höchsten Zwecken, es forderte. Es mußte wie eine Pflanze vegetieren, im engen Kreise, als Symbol der epikurischen Weltweisheit: 8Vhg $4fF"l. Wiederum mußte es, in der neueren Zeit, bei der völligen Zerrüttung der Staatstendenz, als Helferin eintreten: die Familie als Nothbehelf für den Staat, ist sein Werk: und in diesem Sinne mußte sich auch das Kunstziel des Staates zu dem einer häuslichen Kunst erniedrigen. Daher ist es gekommen, daß die Liebesleidenschaft, als das einzige dem Weibe völlig zugängliche Bereich, allmählich unsre Kunst bis ins Innerste bestimmt hat. Insgleichen, daß die Erziehung des Hauses sich gleichsam als die einzig natürliche geberdet und die des Staates nur als einen fragwürdigen Eingriff in ihre Rechte duldet: dies alles mit Recht, soweit eben vom modernen Staat dabei die Rede ist.— Das Wesen des Weibes bleibt sich dabei gleich, aber ihre Macht ist je nach der Stellung des Staates zu ihnen eine verschiedene. Sie haben auch wirklich die Kraft, die Lücken des Staates einigermaßen zu compensieren—immer ihrem Wesen getreu, das ich mit dem Schlaf verglichen habe. Im griechischen Alterthum nahmen sie die Stellung ein, die ihnen der höchste Staatswille zuwies: darum sind sie verherrlicht worden wie niemals wieder. Die Göttinnen der griechischen Mythologie sind ihre Spiegelbilder: die Pythia und die Sibylle, ebensowie die sokratische Diotima sind die Priesterinnen, aus denen göttliche Weisheit redet. Jetzt versteht man, weshalb die stolze Resignation der Spartanerin bei der Nachricht vom Schlachtentode des Sohns keine Fabel sein kann. Das Weib fühlte sich dem Staate gegenüber in der richtigen Stellung: darum hatte es mehr Würde, als je wieder das Weib gehabt hat. Plato, der durch Aufhebung der Familie und der Ehe jene Stellung des Weibes noch verschärft, empfindet jetzt so viel Ehrfurcht vor ihnen, daß er wunderbarer Weise verführt wird, durch nachträgliche Erklärung ihrer Gleichstellung mit den Männern ihre ihnen zukommende Rangordnung wieder aufzuheben: der höchste Triumph des antiken Weibes, auch den Weisesten verführt zu haben!—
So lange der Staat noch in einem embryonischen Zustande ist, überwiegt das Weib als Mutter und bestimmt den Grad und die Erscheinungen der Kultur: in gleicher Weise wie das Weib den zerrütteten Staat zu ergänzen bestimmt ist. Was Tacitus von den deutschen Frauen sagt inesse quin etiam sanctum aliquid et providum putant nec aut consilia earum aspernantur aut responsa neglegunt [Vgl. Tacitus, Germania 8.], das gilt überhaupt bei allen noch nicht zum wirklichen Staat gekommenen Völkern. Man fühlt in solchen Zuständen nur stärker, was immer wieder in jeder Zeit sich einmal bemerkbar macht, daß die Instinkte des Weibes als die Schutzwehr der zukünftigen Generation unbezwinglich sind und daß in diesen die Natur, in ihrer Sorge für die Erhaltung des Geschlechts, vornehmlich redet. Wie weit diese ahnende Kraft reicht, wird, wie es scheint, durch die größere oder geringere Consolidation des Staates bestimmt: in ungeordneten und mehr willkürlichen Zuständen, wo die Laune oder die Leidenschaft des einzelnen Mannes ganze Stämme mit sich fortreißt, tritt das Weib dann plötzlich als warnende Prophetin auf. Aber auch in Griechenland gab es eine nie schlummernde Sorge: daß nämlich der furchtbar überladene politische Trieb die kleinen Staatswesen in Staub und Atome zersplittere, bevor sie ihre Ziele irgendwie erreichten. Hier schuf sich der hellenische Wille immer neue Werkzeuge, aus denen er schlichtend, mäßigend warnend redete: vor allem aber ist es die Pythia, in der sich die Kraft des Weibes, den Staat zu compensieren, so laut wie nie wieder offenbarte. Daß ein so in kleine Stämme und Stadtgemeinden zerspaltenes Volk doch im tiefsten Grunde ganz war und in der Zerspaltung nur die Aufgabe seiner Natur löste, dafür bürgt jene wunderbare Erscheinung der Pythia und des delphischen Orakels: denn immer, so lange das griechische Wesen noch seine großen Kunstwerke schuf, sprach es aus einem Munde und als eine Pythia. Hierbei können wir die ahnende Erkenntniß nicht zurückhalten, daß die Individuation für den Willen eine große Noth ist und daß er um jene Einzelnen zu erreichen, die ungeheuerste Stufenleiter von Individuen braucht. Allerdings schwindelt uns bei der Erwägung, ob vielleicht der Wille, um zur Kunst zu kommen, sich in diese Welten, Sterne, Körper und Atome ausgegossen hat: mindestens müßte uns dann klar werden, daß die Kunst nicht für die Individuen, sondern für den Willen selbst nothwendig ist: eine erhabene Aussicht, auf die einen Blick zu werfen uns noch einmal von einer andern Stelle erlaubt sein wird.
Inzwischen kehren wir zu den Griechen zurück, um uns zu sagen, wie lächerlich der moderne Nationalitätenbegriff sich der Pythia gegenüber ausnimmt, und ein wie ungeschicktes Wünschen es ist, eine Nation als eine sichtbare mechanische Einheit, mit gloriosem Regierungsapparat und militärischem Prunke ausgestattet sehen zu wollen. Die Natur äußert sich, wenn diese Einheit überhaupt vorhanden ist: doch in geheimnißvollerer Weise als in Volksabstimmungen [und] Zeitungsjubel. Ich fürchte, darin daß wir den modernen Nationalitätenbegriff überhaupt gefaßt haben, hat uns die Natur gesagt, daß ihr nicht gerade viel an uns gelegen ist. Zu überladen ist jedenfalls unser politischer Wille nicht, das wird jeder von uns mit Lächeln eingestehn: und der Ausdruck dieser Verkümmerung und Schwäche ist der Nationalitätenbegriff. In solchen Zeiten muß der Genius Einsiedler werden: und wer sorgt uns dafür, daß ihn nicht in der Wüste ein Löwe zerreiße?
Im Rückblick auf die letzten Auseinandersetzungen erkennen wir, daß die Pythia der deutlichste Ausdruck und das gemeinsame Centrum aller der Hülfsmechanismen ist, die der griechische Wille in Bewegung setzte, um zur Kunst zu kommen: in ihr, dem wahrsagenden Weibe, reguliert sich der politische Trieb, um sich nicht in Selbstzerfleischung zu erschöpfen und seiner Aufgabe nicht entfremdet zu werden: in ihr offenbart sich Apollo, noch nicht als Kunstgott, aber als heilender sühnender warnender Staatengott, der den Staat immer auf der Bahn erhält, wo er sich mit dem Genius begegnen muß. Aber nicht nur als Pythia, als vorbereitende und wegebahnende Gottheit offenbart er sich. In andern Gestalten tritt er hier und da auf, als “Einzelner” selbst, als Homer, Lykurgus, Pythagoras: man wußte, weshalb diesen Heroen Tempel und göttliche Verehrung zukommmen. Durch die Vorstellung des griechischen Volkes wandelt Apollo dann wieder in der bekannten Gestalt des “Einzelnen”: als “blinder Sänger” oder “blinder Seher”: die Blindheit ist hier durchaus als Symbol jener Vereinzelung zu verstehen. Und so sorgte Apollo, durch solche ehrwürdige Spiegelungen des “Einzelnen” in der grauen Volksvergangenheit dafür, daß der Blick der Menge für die Erkenntniß des “Einzelnen” in der Gegenwart geschärft blieb, wie er andererseits rastlos bemüht war, durch neue Configurationen neue Einzelne zu erzeugen und durch wundersame Vorzeichen um sie herum einen schützenden Bann zu ziehen.
Alle diese apollinischen Zurüstungen haben etwas vom Charakter der Mysterien an sich. Niemand weiß, für wen das ungeheure Schauspiel von kämpfenden Staaten, niedergetretenen Bevölkerungen, mühsam sich bildenden Volksmengen, eigentlich aufgeführt wird, ja es bleibt selbst im Dunkel, ob man Mitspielender oder Zuschauer ist. Und so werden die Einzelnen aus allen jenen ringenden vorwärtsdrängenden Schaaren von unsichtbarer Hand herausgeführt, in einer geheimnißvollen Absicht. Während aber der apollinische Einzelne vor nichts so sehr gehütet wird als vor der entsetzlichen Erkenntniß, daß jenes Wirrsal von leidenden und sich zerfleischenden Wesen in ihm sein Ziel und seinen Zweck habe, benutzt der dionysische Wille gerade diese Erkenntniß, um seine Einzelnen zu einer noch höheren Stufe zu bringen und sich in ihnen zu verherrlichen. Und so läuft neben jener durchaus verschleierten apollinischen Mysterienordnung eine dionysische nebenher, das Symbol einer nur für wenige Einzelne enthüllbaren Welt, von der aber doch vor Vielen durch eine Bildersprache gesprochen werden konnte. Jener Verzückungsrausch der dionysischen Orgien hat sich in den Mysterien gleichsam eingesponnen: es ist derselbe Trieb, der hier und dort waltet, dieselbe Weisheit, die hier und dort kund gethan wird. Wer möchte diesen Untergrund des hellenischen Wesens in seinen Kunstdenkmälern verkennen! Jene stille Einfalt und edle Würde, die Winckelmann begeisterte, bleibt etwas Unerklärliches, wenn man das in der Tiefe fortwirkende metaphysische Mysterienwesen außer Acht läßt. Hier hatte der Grieche eine unerschütterliche gläubige Sicherheit, während er mit seinen olympischen Göttern in freierer Weise, bald spielend bald zweifelnd, umgieng. Darum galt ihm auch die Entweihung der Mysterien als das eigentliche Kardinalverbrechen, das ihm selbst noch furchtbarer erschien als die Auflösung des Demos.