Ende 1870 - April 1871 7 [1-204]
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1. Nachweis, warum die Welt nur eine Vorstellung sein kann.
2. Diese Vorstellung ist eine verzückte Welt, die ein leidendes Wesen projicirt. Analogie-Beweis: wir sind zugleich Wille, aber ganz in die Erscheinungswelt verstrickt. Das Leben als ein fortwährender, Erscheinungen projicirender und dies mit Lust thuender Krampf. Das Atom als Punkt, inhaltslos, rein Erscheinung, in jedem kleinsten Momente werdend, nie seiend.
So ist der ganze Wille Erscheinung geworden und schaut sich selbst an.
Jene aus der Qual erzeugte Vorstellung wendet sich einzig der Vision zu. Sie hat natürlich kein Selbstbewußtsein.
So sind auch wir nur der Vision, nicht des Wesens uns bewußt.
Leiden wir denn nun als einer Wille?
Wie könnten wir leiden, wenn wir rein Vorstellung wären? Wir leiden als einer Wille, aber unsre Erkenntniß richtet sich nicht gegen den Willen, wir sehen uns nur als Erscheinungen. Wir wissen gar nicht, was wir leiden, als einer Wille. Sondern wir leiden nur als vorgestellte Leidende. Nur daß wir es nicht sind, die uns als Leidende zuerst vorstellen. Wie kann aber eine leidend gedachte Visionsgestalt wirklich leiden? Es kann ja nichts vergehen, weil nichts wirklich da ist—was leidet denn eigentlich? Ist nicht das Leiden eben so unerklärbar wie die Lust? Wenn zwei Corti’sche Fasern sich gegeneinander schlagen, warum leiden sie?
Der eigentliche Prozeß des Schlagens ist ja doch nur eine Vorstellung und die sich schlagenden Fasern ebenfalls? Somit können wir sagen, daß der Schmerz des kleinsten Atoms zugleich der Schmerz des einen Willens ist: und daß aller Schmerz ein und derselbe ist: die Vorstellung ist es, durch die wir ihn als zeitlich und räumlich wahrnehmen, bei Nichtvorstellung nehmen wir ihn gar nicht wahr. Die Vorstellung ist die Verzückung des Schmerzes, durch die er gebrochen wird. In diesem Sinne ist der ärgste Schmerz doch noch ein gebrochener, vorgestellter Schmerz, gegenüber dem Urschmerz des einen Willens.
Die Wahnvorstellungen als Verzückungen, um den Schmerz zu brechen.