Ende 1870 - April 1871 7 [1-204]
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Es ist die Natur jedes Menschen, soweit in der Anschauung zu steigen als er kann. Diese Entwicklung ist mit der Vorstellung der Freiheit verknüpft: als ob er auch anders könnte!
Daß der Mensch aber steigen kann, dies ergiebt daß er in keinem Moment derselbe ist, wie auch sein Leib ein Werden ist. Es ist allein der eine Wille: der Mensch ist eine in jedem Moment geborne Vorstellung. Was ist Festigkeit des Charakters? Eine Thätigkeit des anschauenden Willens, ebenso sehr wie Bildungsfähigkeit eines Charakters.
Und so ist unser Denken nur ein Bild des Urintellekts, ein Denken durch die Anschauung des einen Willens entstanden, der sich seine Visionsgestalt denkend denkt. Wir schauen das Denken an wie den Leib—weil wir Wille sind.
Die Dinge, die wir im Traum anrühren, sind auch fest und hart. So ist unser Leib, und die ganze empirische Welt, für den anschauenden Willen fest und hart. Somit sind wir dieser eine Wille und dieses eine Anschauende.
Es scheint aber, daß unsre Anschauung nur die Abbildung der einen Anschauung ist, d. h. nichts als eine in jedem Moment erzeugte Vision der einen Vorstellung.
Die Einheit zwischen dem Intellekt und der empirischen Welt ist die prästabilirte Harmonie, in jedem Moment geboren und sich völlig im kleinsten Atome deckend. Es giebt nichts Innerliches, dem kein Äußerliches entspräche.
Somit entspricht jedem Atom seine Seeele. D. h. alles Vorhandene ist in doppelter Weise Vorstellung: einmal als Bild, dann als Bild des Bildes.
Leben ist jenes unablässige Erzeugen dieser doppelten Vorstellungen: der Wille ist und lebt allein. Die empirische Welt erscheint nur, und wird.
Künstlerisch ist dies vollkommene Sichdecken von Innerem und Äußerem in jedem Moment.
Im Künstler waltet die Urkraft durch die Bilder hindurch, sie ist es, die da schafft. Auf diese Momente ist es bei der Weltschöpfung abgesehn: jetzt giebt es ein Bild des Bildes des Bildes? (?) Der Wille braucht den Künstler, in ihm wiederholt sich der Urprozeß.
Im Künstler kommt der Wille zur Entzückung der Anschauung. Hier ist erst der Urschmerz völlig von der Lust des Anschauens überwogen.
Ich glaube an die Unverständigkeit des Willens. Die Projektionen sind lebensfähig nach unendlicher Mühe und zahllosen mißlungenen Experimenten. Der Künstler wird nur hier und da erreicht.