Herbst 1881 11 [101-200]
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Die sämmtlichen thierisch-menschlichen Triebe haben sich bewährt, seit unendlicher Zeit, sie würden, wenn sie der Erhaltung der Gattung schädlich wären, untergegangen sein: deshalb können sie immer noch dem Individuum schädlich und peinlich sein—aber die Gattung’s-Zweckmäßigkeit ist das Princip der erhaltenden Kraft. Jene Triebe und Leidenschaften ausrotten ist erstens am Einzelnen unmöglich—er besteht aus ihnen, wie wahrscheinlich im Bau und [in] der Bewegung des Organismus dieselben Triebe arbeiten; und zweitens hieße es: Selbstmord der Gattung. Der Zwiespalt dieser Triebe ist ebenso nothwendig wie aller Kampf: denn das Leiden kommt für die Erhaltung der Gattung so wenig in Betracht, wie der Untergang zahlloser Individuen. Es sind ja nicht die vernünftigsten und direktesten Mittel der Erhaltung, die denkbar sind, aber die einzig wirklichen.— Im Einzelnen sind die Triebe sehr oft unzweckmäßig zusammengewürfelt, dann geht das Individuum daran zu Grunde; im Ganzen ist das Ergebniß die Erhaltung der Gattung.— Das Loben und Tadeln derselben, der zeitweilige Geschmack an diesen und jenen ist ein ziemlich oberflächliches Phänomen, abhängig vorn Bewußtsein über “nützlich” “schädlich”—welches sehr unwissenschaftlich ist!— Deshalb waren die verabscheuten Triebe doch thätig, unter anderem Namen oder unbeachtet. Es kommt nicht gar zu viel auf die Ethiken an, die geherrscht haben!