Herbst 1881 11 [101-200]
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Die Wiederkunft des Gleichen.
Entwurf.
| 1. | Die Einverleibung der Grundirrthümer. | |
| 2. | Die Einverleibung der Leidenschaften. | |
| 3. | Die Einverleibung des Wissens und des verzichtenden Wissens. (Leidenschaft der Erkenntniss) | |
| 4. | Der Unschuldige. Der Einzelne als Experiment. Die Erleichterung des Lebens, Erniedrigung, Abschwächung—Übergang. | |
| 5. | Das neue Schwergewicht: die ewige Wiederkunft des Gleichen. Unendliche Wichtigkeit unseres Wissen’s, Irren’s, unsrer Gewohnheiten, Lebensweisen für alles Kommende. Was machen wir mit dem Reste unseres Lebens—wir, die wir den grössten Theil desselben in der wesentlichsten Unwissenheit verbracht haben? Wir lehren die Lehre—es ist das stärkste Mittel, sie uns selber einzuverleiben. Unsre Art Seligkeit, als Lehrer der grössten Lehre. |
Anfang August 1881 in Sils-Maria,
6000 Fuss über dem Meere und viel höher über allen
menschlichen Dingen! —
Zu 4) Philosophie der Gleichgültigkeit. Was früher am stärksten reizte, wirkt jetzt ganz anders, es wird nur noch als Spiel angesehn und gelten gelassen (die Leidenschaften und Arbeiten) als ein Leben im Unwahren principiell verworfen, als Form und Reiz aber ästhetisch genossen und gepflegt, wir stellen uns wie die Kinder zu dem, was früher den Ernst des Daseins ausmachte. Unser Streben des Ernstes ist aber alles als werdend zu verstehen, uns als Individuum zu verleugnen, möglichst aus vielen Augen in die Welt sehen, leben in Trieben und Beschäftigungen, um damit sich Augen zu machen, zeitweilig sich dem Leben überlassen, um hernach zeitweilig über ihm mit dem Auge zu ruhen: die Triebe unterhalten als Fundament alles Erkennens, aber wissen, wo sie Gegner des Erkennens werden: in summa abwarten, wie weit das Wissen und die Wahrheit sich einverleiben können—und in wiefern eine Umwandlung des Menschen eintritt, wenn er endlich nur noch lebt, um zu erkennen.— Dies ist Consequenz von der Leidenschaft der Erkenntniß: es giebt für ihre Existenz kein Mittel, als die Quellen und Mächte der Erkenntniß, die Irrthümer und Leidensch[aften] auch zu erhalten, aus deren Kampfe nimmt sie ihre erhaltende Kraft.— Wie wird dies Leben in Bezug auf seine Summe von Wohlbefinden sich ausnehmen? Ein Spiel der Kinder, auf welches das Auge des Weisen blickt, Gewalt haben über diesen und jenen Zustand—und den Tod, wenn so etwas nicht möglich ist.— Nun kommt aber die schwerste Erkenntniß und macht alle Arten Lebens furchtbar bedenkenreich: ein absoluter Überschuß von Lust muß nachzuweisen sein, sonst ist die Vernichtung unser selbst in Hinsicht auf die Menschheit als Mittel der Vernichtung der Menschheit zu wählen. Schon dies: wir haben die Vergangenheit, unsere und die aller Menschheit, auf die Wage zu setzen und auch zu überwiegen—nein! dieses Stück Menschheitsgeschichte wird und muß sich ewig wiederholen, das dürfen wir aus der Rechnung lassen, darauf haben wir keinen Einfluß: ob es gleich unser Mitgefühl beschwert und gegen das Leben überhaupt einnimmt. Um davon nicht umgeworfen zu werden, darf unser Mitleid nicht groß sein. Die Gleichgültigkeit muß tief in uns gewirkt haben und der Genuß im Anschauen auch. Auch das Elend der zukünftigen Menschheit soll uns nichts angehn. Aber ob wir noch leben wollen, ist die Frage: und wie!
Zu erwägen: die verschiedenen erhabenen Zustände, die ich hatte, als Grundlagen der verschiedenen Capitel und deren Materien—als Regulator des in jedem Capitel waltenden Ausdrucks, Vortrags, Pathos,—so eine Abbildung meines Ideals gewinnen, gleichsam durch Addition. Und dann höher hinauf!