Herbst 1881 11 [201-348]
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Kühnheit nach Innen und Bescheidung nach Außen, nach allem “Außen”—eine deutsche Vereinigung von Tugenden, wie man ehemals glaubte,—habe ich bisher am schönsten bei schweizerischen Künstlern und Gelehrten gefunden: in der Schweiz, wo mir überhaupt alle deutschen Eigenschaften bei weitem reichlicher weil bei weitem geschützter aufzuwachsen scheinen als im Deutschland der Gegenwart. Und welchen Dichter hätte Deutschland dem Schweizer Gottfried Keller entgegenzustellen? Hat es einen ähnlichen wegesuchenden Maler wie Böcklin? Einen ähnlichen weisen Wissenden wie J. Burckhardt? Thut die große Berühmtheit des Naturforschers Häckel der größeren Ruhmwürdigkeit Rütimeyers irgend welchen Eintrag?—um eine Reihe guter Namen nur zu beginnen. Immer noch dort wachsen Alpen- und Alpenthalpflanzen des Geistes, und wie man zur Zeit des jungen Goethe sich aus der Schweiz selbst seine hohen deutschen Antriebe holte, wie Voltaire Gibbon und Byron dort ihren übernationalen Empfindungen nachzuhängen lernten, so ist auch jetzt eine zeitweilige Verschweizerung ein rathsames Mittel, um ein wenig über die deutsche Augenblicklichkeits-Wirthschaft hinauszublicken.