Herbst 1881 11 [201-348]
11 [286]
Ohne die ungeheure Sicherheit des Glaubens und Bereitwilligkeit des Glaubens wäre Mensch und Thier nicht lebensfähig. Auf Grund der kleinsten Induktion zu verallgemeinern, eine Regel für sein Verhalten machen, das einmal Gethane, das sich bewährt hat, als das einzige Mittel zum Zweck glauben—das, im Grunde die grobe Intellektualität, hat Mensch und Thier erhalten. Unzählig oft sich so zu irren und am Fehlschluß leiden ist lange nicht so schädigend im Ganzen als die Skepsis und Unentschlossenheit und Vorsicht. Den Erfolg und den Mißerfolg als Beweise und Gegenbeweise gegen den Glauben betrachten ist menschlicher Grundzug: “was gelingt, dessen Gedanke ist wahr.”— Wie sicher steht in Folge dieses wüthenden gierigen Glaubens die Welt vor uns! Wie sicher führen wir alle Bewegungen aus! “Ich schlage”—wie sicher empfindet man das!— Also die niedrige Intellektualität, das unwissenschaftliche Wesen ist Bedingung des Daseins, des Handelns, wir würden verhungern ohne dies, die Skepsis und die Vorsicht sind erst spät und immer nur selten erlaubt. Gewohnheit und unbedingter Glaube, daß es so sein muß wie es ist, ist Fundament alles Wachsthums und Starkwerdens.— Unsere ganze Weltbetrachtung ist so entstanden, daß sie durch den Erfolg bewiesen wurde, wir können mit ihr leben (Glaube an Außendinge, Freiheit des Wollens). Ebenso wird jede Sittlichkeit nur so bewiesen.— Da ensteht nun die große Gegenfrage: es kann wahrscheinlich unzählige Arten des Lebens geben und folglich auch des Vorstellens und Glaubens. Wenn wir alles Nothwendige in unserer jetzigen Denkweise feststellen, so haben wir nichts für das “Wahre an sich” bewiesen, sondern nur “das Wahre für uns” d. h. das Dasein-uns-Ermöglichende auf Grund der Erfahrung—und der Prozeß ist so alt, daß Umdenken unmöglich ist. Alles a priori gehört hierher.