Sommer 1883 13 [1-36]
13 [10]
Wo ich Leben sah, fand ich Willen zur Macht: und auch noch im Willen des Dienenden fand ich Willen zur Macht.
Man unterwirft sich dem Großen, um über Kleine Herr zu sein: diese Lust überredet uns zur Unterwerfung.
Was nicht ist, das kann nicht wollen! Was aber Dasein hat—wie könnte dies noch—“zum Dasein wollen!”
Ihr meint, die Dinge zu kennen und alle Dinge: so setzt ihr Werthe an und Gütertafeln. Dies ist der Aberglaube aller Schätzenden
Ihr seid mir nur ein Fluß, auf dem ein Nachen weiterschwimmt: im Nachen aber sitzen die vermummten Werthschätzungen, die feierlichen.
So beginnt die ehrliche Wissenschaft: sie fragt: was ist? und nicht: was ist es werth?
Was für den Menschen da ist, so daß der Mensch erhalten bleibt: das ist unsre Grenze.
Auch dein Ideal ist noch nicht deine Grenze: weiter reicht deine Kraft als die Sehnsucht deines Auges.
Die Sonne gieng lange schon hinunter, die Wiese ist feucht, von den Wäldern her kommt Kühle: ein Unbekanntes ist um mich und blickt nachdenklich auf mich hin. Wie, du lebst noch! Warum lebst du noch?
Was uns von innen her bewegt, das staunen wir an, als unbegreiflich: nun erfinden wir Ton und Wort dafür—und nun meinen wir, auch, es sei begreiflich worden. Dieser Aberglaube ist in Allem, was tönt: der Wahn des Ohres.
Wille zur Wahrheit? Oh meine weisesten Brüder, das ist ein Wille zur Denkbarkeit der Welt!
Sichtbar werden soll auch die Welt im Kleinsten noch: dann meint ihr zu begreifen: das ist die Thorheit des Auges.
Reden wir davon: ob es gleich schlimm ist; davon schweigen ist fürchterlich!
Andere Meere sah ich, unglaubwürdig schien mir ihr Blau, eine Schminke schien es mir auf zottigen Häuten: grau und gräßlich floß das Blut darunter. Aber hier ist das Blut des Meeres—blau.
Nichts ist kostspieliger als ein Falscher Wahn über Gut und Böse!
“Der gute Mensch ist unmöglich: im Leben selber ist Ungüte Wahn und Ungerechtigkeit. Und dies wäre der letzte Wille zur Güte, alles Leben zu verneinen!”
Mit eurem Gut und Böse habt ihr euch das Leben verleidet, euren Willen müde gemacht; und euer Schätzen selber war das Zeichen des absteigenden Willens, der zum Tode sich sehnt.