April-Juni 1885 34 [1-100]
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Worte sind Tonzeichen für Begriffe: Begriffe aber sind mehr oder weniger sichere Gruppen wiederkehrender zusammen kommender Empfindungen. Daß man sich versteht, dazu gehört noch nicht, daß man dieselben Worte gebraucht: man muß dieselben Worte auch für dieselbe Gattung innerer Erlebnisse brauchen—und man muß diese gemeinsam haben. Deshalb verstehen sich die Menschen Eines Volkes besser: oder, wenn Menschen lange in ähnlichen Bedingungen des Climas, der Thätigkeiten, der Bedürfnisse zusammen gelebt haben, so gewinnt eine gewisse Gattung von solchen ihnen allen nächst verständlichen Erlebnissen die Oberhand: das schnelle Sich-Verstehn ist die Folge. Und das Sich-Verheirathen, und die Vererbung ist wieder die Folge davon. Es ist das Bedürfniß, schnell und leicht seine Bedürfnisse verstehn zu geben, was Menschen am festesten an einander bindet. Andererseits hält Nichts eine Freundschaft, Liebschaft fest, wenn man dahinter kommt, daß man bei den Worten Verschiedenes meint. Welche Gruppen von Empfindungen im Vordergrund stehn, das bedingt nämlich die Werthschätzungen: die Werthschätzungen aber sind die Folge unserer innersten Bedürfnisse. —
Dies ist gesagt, um zu erklären, warum es schwer ist, solche Schriften wie die meinigen zu verstehen: die inneren Erlebnisse, Werthschätzungen und Bedürfnisse sind bei mir anders. Ich habe Jahre lang mit Menschen Verkehr gehabt und die Entsagung und Höflichkeit so weit getrieben, nie von Dingen zu reden, die mir am Herzen lagen. Ja ich habe fast nur so mit Menschen gelebt. —