April-Juni 1885 34 [1-100]
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Was ich an dem Deutschen gerne wahrnehme, das ist seine Mephistopheles-Natur: aber, die Wahrheit zu sagen, man muß sich einen höheren Begriff vom d[eutschen] M[ephistopheles] machen, als Goethe, [der] nöthig hatte, um seinen “innewendigen Faust” zu vergrößern, seinen M[ephistopheles] zu verkleinern. Der wahre deutsche Mephistopheles ist viel gefährlicher, kühner, böser, verschlagener und folglich offenherziger: man denke sich das Innewendige von Friedrich dem Großen. Oder von jenem viel größeren Friedrich, von jenem Hohenstaufen Friedrich 2.— Der ächte deutsche Mephistopheles steigt über die Alpen, glaubt, daß ihm dort Alles zugehört. Deshalb wird ihm wohl, wie es Winckelmann wohl wurde, wie Mozarten. Er betrachtet Faust und Hamlet als Carikaturen, die zum Lachen erfunden sind, insgleichen Luther. Goethe hatte gute deutsche Augenblicke, wo er über das Alles innewendig lachte. Aber dann fiel er selber wieder in die feuchten Stimmungen zurück.
Das Erstaunen Napoleon’s, als er einen deutschen Dichter sah und—einen Mann fand! Er hatte erwartet, einen deutschen Dichter zu finden! —
Der Deutsche ist umfänglich: an die eine Seele hat sich eine zweite angebaut, es giebt Höhlen, Zwischengänge, er kann oberflächlich scheinen, die Offenheit und Biederkeit gehört zu den Kunstfertigkeiten des Deutschen.— “Gutmüthig und tückisch” ist bei anderen M[enschen] eine Unmöglichkeit; aber man lebe nur eine Zeitlang unter Schwaben! —