Sommer 1886 - Herbst 1887 5 [1-110]
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Die Welt, die uns etwas angeht, ist nur scheinbar, ist unwirklich.— Aber den Begriff “wirklich, wahrhaft vorhanden” haben wir erst gezogen aus dem “uns-angehn”; je mehr wir in unserem Interesse berührt werden, um so mehr glauben wir an die “Realität” eines Dinges oder Wesens. “Es existirt” heißt: ich fühle mich an ihm als existent.— Antinomie.
So viel Leben aus jenem Gefühl kommt, so viel Sinn setzen wir in das, was wir als Ursache dieser Erregung glauben. Das “Seiende” wird also von uns gefaßt als das auf uns Wirkende, das durch sein Wirken Sich-Beweisende.— “Unwirklich” “scheinbar” wäre das, was nicht Wirkungen hervorzubringen vermag, aber sie hervorzubringen scheint. —
Gesetzt aber, wir legen in die Dinge gewisse Werthe hinein, so wirken diese Werthe dann auf uns zurück, nachdem wir vergessen haben, daß wir die Geber waren.
Gesetzt, ich halte Jemanden für meinen Vater, so folgt daraus vielerlei für jede seiner Äußerungen gegen mich: sie werden anders interpretirt.— Also unsere Auffassungen und Ausdeutungen der Dinge, unsere Interpretation der Dinge gegeben, so folgt, daß alle “wirklichen” Einwirkungen dieser Dinge auf uns daraufhin anders erscheinen, neu interpretirt, kurz anders wirken.
Wenn nun alle Auffassungen der Dinge falsch waren, so folgt, daß alle Einwirkungen der Dinge auf uns auf eine falsche Causalität hin empfunden und ausgelegt werden: kurz, daß wir Werth und Unwerth, Nutzen und Schaden abmessen auf Irrthum hin, daß die Welt, die uns etwas angeht, falsch ist.