Sommer 1886 - Herbst 1887 5 [1-110]
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Recht entsteht nur da, wo es Verträge giebt; damit es aber Verträge geben kann, muß ein gewisses Gleichgewicht von Macht da sein. Fehlt ein solches Gleichgewicht, stoßen zwei zu verschiedene Macht-Quanten auf einander, so greift das stärkere über nach dem schwächeren zu dessen fortgesetzter Schwächung, bis endlich Unterwerfung, Anpassung, Einordnung, Einverleibung eintritt: also mit dem Ende, daß aus Zwei Eins geworden ist. Damit Zwei zwei bleibt, ist wie gesagt ein Gleichgewicht nöthig: und deshalb geht alles Recht auf ein vorangehendes Wägen zurück. Es ist deshalb nicht gut zu heißen—denn es führt irre—wenn man die Gerechtigkeit mit einer Wage in der Hand darstellt: das richtige Gleichniß wäre, die Gerechtigkeit auf einer Wage stehen zu machen dergestalt, daß sie die beiden Schalen im Gleichgewicht hält. Man stellt aber die G meistens falsch dar: man legt ihr auch falsche Worte in den Mund. Die Gerechtigkeit spricht nicht: “jedem das Seine,” sondern immer nur “wie du mir, so ich dir.” Daß zwei Mächte im Verhältniß zu einander dem rücksichtslosen Willen zur Macht einen Zaum anlegen und sich einander nicht nur gleich lassen, sondern auch als gleich wollen, das ist der Anfang alles “guten Willens” auf Erden. Ein Vertrag enthält nämlich nicht nur eine bloße Affirmation in Bezug auf ein bestehendes Quantum von Macht, sondern zugleich auch den Willen, diese Quanten auf beiden Seiten als etwas Dauerndes zu affirmiren und somit bis zu einem gewissen Grade selbst aufrecht zu erhalten:—darin steckt, wie gesagt, ein Keim von allem “guten Willen.”