Frühjahr-Herbst 1873 27 [1-81]
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Wer weiß, wie die Alten sich mühten und die Neueren sich nicht abmühen, macht sich bald zum Grundsatz, dies Gesindel gar nicht mehr zu lesen.
Erstens muß man etwas zu sagen haben, von dem man glauben darf, daß man es besser als irgend ein andrer Mensch sagen kann. Somit muß es in allen Theilen durchdacht, als zusammenhängend befunden sein.
Die erste Niederschrift hat weiter keinen Werth als den allgemeinen Gang und die Dimensionen zu finden, das totum ponere: allerdings die Hauptsache für den Inhalt: meistens auch werden die richtigen Farben gefunden. Nun ist das Ganze noch voll von zahllosen Fehlern, hier und da ist ein vorläufiger Bretterverschlag und “Fehlboden,” überall liegt Staub, die Zeichen der Arbeit, der Noth sind sichtbar. Die ganze jetzt noch nöthige Arbeit, fehlt bei Strauß: selbst angenommen, das totum ponere sei gelungen.
Das totum ponere ist insofern gelungen, als das ganze Buch wenigstens eine Art Mensch abmalt, so, daß auch die großen Inconsequenzen und Halbheiten in’s Bild gehören. Es soll ja einen Glauben darstellen, nicht eine Philosophie, und hat sich deshalb seiner Gedankenlosigkeiten nicht zu schämen, da es auf das Ethos vor allem ankommt. Dieses Ethos zeigt Muth, soweit es dem Philister wohlthut, also in Religionssachen, in naturwissenschaftlichen Behauptungen usw. Sonst, nämlich in der Lehre vom Leben, gilt umgekehrt alles Vorhandene so ziemlich als vernünftig: ein paar fromme Wünsche, Abschaffung des allgemeinen Stimmrechts, Beibehaltung der Todesstrafe, Beschränkung des Rechts zu striken und Einführung von Nathan und Hermann und Dorothea in die Volksschule—das ist alles, im Übrigen “leben wir, so wandeln wir beglückt!”