Sommer-Herbst 1873 29 [101-232]
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Mein Ausgangspunct ist der preussische Soldat: hier ist eine wirkliche Convention, hier ist Zwang, Ernst und Disciplin, auch in Betreff der Form. Sie ist aus dem Bedürfniss entstanden. Freilich weit entfernt vom “Einfachen und Natürlichen”! Seine Stellung zur Geschichte ist empirisch und darum zuversichtlich lebendig, nicht gelehrt. Sie ist, für einige Personen, fast mythisch. Sie geht aus von der Zucht des Körpers und von der peinlichst geforderten Pflichttreue.
Goethe sodann ist vorbildlich: der ungestüme Naturalismus: der allmählich zur strengen Würde wird. Er ist, als stilisirter Mensch, höher als je irgend ein Deutscher gekommen. Jetzt ist man so bornirt, daraus ihm einen Vorwurf zu machen und gar sein Altwerden anzuklagen. Man lese Eckermann [Vgl. Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Dritte Auflage. Leipzig: F. A. Brockhaus, 1868.] und frage sich, ob je ein Mensch in Deutschland so weit in einer edlen Form gekommen ist. Von da bis zur Einfachheit und Grösse ist freilich noch ein grosser Schritt, aber wir sollten nur gar nicht glauben Goethe überspringen zu können, sondern müssen es immer, wie er, wieder anfangen.