Sommer-Herbst 1873 29 [101-232]
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Ich ergötze mich an der Vorstellung, dass die Menschen bald einmal das Lesen satt bekommen werden: und die Schriftsteller dazu; dass der Gelehrte einer kommenden Generation eines Tags sich besinnt, sein Testament macht und verordnet, dass sein Leichnam inmitten seiner Bücher, zumal der eignen Schriften, verbrannt werden solle. Und wenn die Wälder immer spärlicher werden, sollte es nicht bald an der Zeit sein, die Bibliotheken als papiernen Holzstock und Gestrüpp zu behandeln? Sind doch die meisten Bücher aus Rauch und Dampf der Köpfe geboren: so sollen sie auch wieder zu Rauch werden. Ich glaube übrigens, dass ein Geschlecht, das den Geschmack hat mit seinen Bibliotheken seine Öfen zu heizen, gerade deshalb auch den guten Geschmack haben wird, eine kleine Anzahl Bücher und gerade die welche es verdienen auszuwählen und leben zu lassen. Es wäre freilich möglich, dass ein Jahrtausend später gerade unser jetziges Zeitalter als die dunkelste Periode der Vergangenheit gelte, weil nichts von ihm übrig geblieben ist. Wie glücklich sind wir also, dass wir unsre Zeit noch kennen lernen können aus dem überreichen Material, was sie täglich den Druckerpressen übergiebt: hat es nämlich überhaupt einen guten Sinn, sich mit seinem Gegenstand zu beschäftigen, so ist es jedenfalls ein Glück, sich so gründlich mit ihr zu beschäftigen, dass einem kein Zweifel über sie übrig bleibt. Es hat aber einen guten Sinn; denn man lernt viel dadurch selbst kennen, und gerade die schlechte Litteratur einer Zeit erlaubt uns selber im Bilde zu sehen: weil sie den Durchschnitt der gerade herrschenden Moralität usw., also nicht die Ausnahme, sondern die Regel zeigt, während die wirklich guten Bücher der Zeitgenossen meistens von solchen herrühren, die mit der Zeit eben nichts gemein haben als die Zeit. Deshalb sind sie zur Selbsterkenntniss nicht so nützlich wie jene.
Aus den schlechten Büchern und Zeitungen will ich nun beweisen, dass wir alle Stümper in der Philosophie sind und keine Ph[ilosophie] haben.