Herbst 1881 11 [1-100]
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Das Erkennenwollen der Dinge, wie sie sind—das allein ist der gute Hang: nicht das Hinsehen nach, Anderen und das Sehen mit anderen Augen—das wäre ja nur ein Ortswechsel des egoistischen Sehens! Wir wollen uns von der großen Grundverrücktheit heilen, alles nach uns zu messen: Selbstliebe ist ein falscher zu enger Ausdruck; Selbsthaß und alle Affekte sind fortwährend thätig mit diesem kurzen Sprunge; als ob alles zu uns hinstrebe. Man geht durch die Gassen und meint, jedes Auge gelte uns: und was wäre es, wenn ein Auge und ein Wort uns wirklich gilt!—nicht mehr, als es uns angeht, wenn der Blick und das Wort einem Zweiten gilt—wir sollten persönlich eben so gleichgültig sein können! Vermehrung der Gleichgültigkeit! Und dazu Übung, mit anderen Augen sehen: Übung, ohne Menschliche Beziehungen, also sachlich zu sehen! Den Menschen-Größenwahn kuriren! Woher kommt er? Von der Furcht: alle geistige Kraft mußte immer schnell zum persönlich-Sehen zurückspringen. Es ist schon das thierische Leiden. Die höchste Selbstsucht hat ihren Gegensatz nicht in der Liebe zum Andern!! Sondern im neutralen sachlichen Sehen! Die Leidenschaft für das trotz allen Personen-Rücksichten, trotz allem “Angenehmen” und Unangenehmen “Wahre” ist die höchste—darum Seltenste bisher!