Herbst 1881 11 [1-100]
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Angebliche Zweckmäßigkeit der Natur—bei der Selbstsucht, dem Geschlechtstrieb, wo man sagt, sie benutze das Individuum, bei der Lichtausströmung der Sonne usw.—alles Erdichtungen! Es ist vielleicht die letzte Form einer Gottes-Vorstellung—aber dieser Gott ist nicht sehr klug und sehr unbarmherzig. Leopardi hat die böse Stiefmutter Natur, Schopenhauer den “Willen.”— Vielleicht kann man mit solchen anscheinenden Zweckthätigkeiten die Zweckthätigkeit des Menschen aufhellen. Es wird etwas erreicht, und das was erreicht wird und das was dazu alles geschieht, ist von dem Bilde, welches vorher im Kopfe des Wollenden ist, total verschieden—es führt keine Brücke hinüber. “Ich esse, um mich zu sättigen”—aber was weiß ich von dem, was Sättigung ist! In Wahrheit wird die Sättigung erreicht, aber nicht gewollt—die momentane Lustempfindung bei jedem Bissen, so lange Hunger da ist, ist das Motiv: nicht die Absicht “um,” sondern ein Versuch bei jedem Bissen, ob er noch schmeckt. Unser Handlungen sind Versuche, ob dieser oder jener Trieb daran seine Freude habe, bis in’s Verwickeltste hinein, spielende Äußerungen des Dranges nach Thätigkeit, welche wir durch die Theorie der Zwecke mißdeuten und falsch verstehen. Wir bewegen unsere Fangarme—und dieser oder jener Trieb findet in dem, was wir fangen, seine Beute und macht uns glauben, wir hätten beabsichtigt, ihn zu befriedigen.