Herbst 1885 - Herbst 1886 2 [1-100]
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Der Mensch glaubt sich als Ursache, als Thäter —
alles, was geschieht, verhält sich prädikativ zu irgend welchem Subjekte
In jedem Urtheile steckt der ganze volle tiefe Glauben an Subjekt und Prädikat oder an Ursache und Wirkung; und dieser letztere Glaube (nämlich als die Behauptung daß jede Wirkung Thätigkeit sei und daß jede Thätigkeit einen Thäter voraussetze) ist sogar nur ein Einzelfall des ersteren, so daß der Glaube als Grundglaube übrig bleibt: es giebt Subjekte
Ich bemerke etwas und suche nach einem Grund dafür: das heißt ursprünglich: ich suche nach einer Absicht darin und vor allem nach einem der Absichten hat, nach einem Subjekt, einem Thäter:—ehemals sah man in allem Geschehen Absichten, alles Geschehen war Thun. Dies ist unsere älteste Gewohnheit. Hat das Thier sie auch? Ist es, als Lebendiges, nicht auch auf die Interpretation nach sich angewiesen?— Die Frage “warum?” ist immer die Frage nach der causa finalis, nach einem “Wozu?” Von einem “Sinn der causa efficiens” haben wir nichts: hier hat Hume Recht, die Gewohnheit (aber nicht nur die des Individuums!) läßt uns erwarten, daß ein gewisser oft beobachteter Vorgang auf den andern folgt: weiter nichts! Was uns die außerordentliche Festigkeit des Glaubens an Causalität giebt, ist nicht die große Gewohnheit des Hintereinander von Vorgängen, sondern unsere Unfähigkeit, ein Geschehen anders interpretiren zu können als ein Geschehen aus Absichten. Es ist der Glaube an das Lebendige und Denkende als das einzig Wirkende—an den Willen, die Absicht—daß alles Geschehn ein Thun sei, daß alles Thun einen Thäter voraussetze, es ist der Glaube an das “Subjekt.” Sollte dieser Glaube an den Subjekt- und Prädikat-Begriff nicht eine große D[ummheit] sein?
Frage: ist die Absicht Ursache eines Geschehens? Oder ist auch das Illusion? Ist sie nicht das Geschehen selbst?
“Anziehen” und “Abstoßen” im rein mechanischen Sinne ist eine vollständige Fiktion: ein Wort. Wir können uns ohne eine Absicht ein Anziehen nicht denken: dh. ohne eine Absicht.— Den Willen sich einer Sache zu bemächtigen oder gegen ihre Macht uns zu wehren und sie zurückzustoßen—das “verstehen wir”: das wäre eine Interpretation, die wir brauchen könnten.
Kurz: die psychologische Nöthigung an einem Glauben an Causalität liegt in der Unvorstellbarkeit eines Geschehens ohne Absichten: womit natürlich über Wahrheit oder Unwahrheit (Berechtigung eines solchen Glaubens) nichts gesagt ist. Der Glaube an causae fällt mit dem Glauben an JX80 (gegen Spinoza und dessen Causalismus).