Herbst 1885 - Herbst 1886 2 [1-100]
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Inwiefern die Dialektik und der Glaube an die Vernunft noch auf moralischen Vorurtheilen ruht. Bei Plato sind wir als einstmalige Bewohner einer intelligibelen Welt des Guten noch im Besitz eines Vermächtnisses jener Zeit: die göttliche Dialektik, als aus dem Guten stammend, führt zu allem Guten. (—also gleichsam “zurück”—) Auch Descartes hatte einen Begriff davon, daß in einer christlich-moralischen Grunddenkweise, welche an einen guten Gott als Schöpfer der Dinge glaubt, die Wahrhaftigkeit Gottes erst uns unsre Sinnesurtheile verbürgt. Abseits von einer religiösen Sanktion und Verbürgung unsrer Sinne und Vernünftigkeit—woher sollten wir ein Recht auf Vertrauen gegen das Dasein haben! Daß das Denken gar ein Maaß des Wirklichen sei,—daß was nicht gedacht werden kann, nicht ist,—ist ein plumpes non plus ultra einer moralistischen Vertrauens-seligkeit (auf ein essentielles Wahrheits-Princip im Grund der Dinge), an sich eine tolle Behauptung, der unsre Erfahrung in jedem Augenblick widerspricht. Wir können gerade gar nichts denken, in wiefern es ist ...