April-Juni 1885 34 [101-272]
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Wie ein Feldherr von vielen Dingen nichts erfahren will und erfahren darf, um nicht die Gesamt-Überschau zu verlieren: so muß es auch in unserem bewußten Geiste vor Allem einen ausschließenden wegscheuchenden Trieb geben, einen auslesenden, welcher nur gewisse facta sich vorführen läßt. Das Bewußtsein ist die Hand, mit der der Organismus am weitesten um sich greift: es muß eine feste Hand sein. Unsere Logik, unser Zeitsinn, Raumsinn sind ungeheure Abbreviatur-Fähigkeiten, zum Zwecke des Befehlens. Ein Begriff ist eine Erfindung, der nichts ganz entspricht; aber Vieles ein wenig: ein solcher Satz “2 Dinge, einem dritten gleich, sind sich selber gleich” setzt 1) Dinge 2) Gleichheiten voraus: beides giebt es nicht. Aber mit dieser erfundenen starren Begriffs- und Zahlenwelt gewinnt der Mensch ein Mittel, sich ungeheurer Mengen von Thatsachen wie mit Zeichen zu bemächtigen und seinem Gedächtnisse einzuschreiben. Dieser Zeichen-Apparat ist seine Überlegenheit, gerade dadurch, daß er sich von der Einzel-Thatsache möglichst weit entfernt. Die Reduktion der Erfahrungen auf Zeichen, und die immer größere Menge von Dingen, welche also gefaßt werden kann: ist seine höchste Kraft. “Geistigkeit” als Vermögen, über eine ungeheure Menge von Thatsachen in Zeichen Herr zu sein. Diese geistige Welt, diese Zeichen-Welt ist lauter “Schein und Trug,” ebenso schon wie jedes “Erscheinungsding”—und der “moral[ische] M[ensch] empört sich wohl! (wie für Napoleon nur die wesentl[ichen] Instinkte des Menschen bei seinen Rechnungen in Betracht kamen und er von den ausnahmsweisen ein Recht hatte, keine Notiz zu nehmen z. B. vom Mitleiden—auf die Gefahr hin, hier und da sich zu verrechnen) [Vgl. Maximilian Drossbach, Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Geschehens in der Welt. Halle: Pfeffer, 1884:10.]