April-Juni 1885 34 [101-272]
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Ich habe manche nicht unbedenkliche Versuche gemacht, um mir Menschen heranzulocken, denen ich von so seltsamen Dingen reden könnte: alle meine Schriften waren bisher ausgeworfene Netze: ich wünschte Menschen mit tiefen reichen und ausgelassenen Seelen mir dazu einzufangen.
An wen sich wenden? Meinen längsten Versuch machte ich an jenem vielfachen und geheimnißvollen Menschen, dem vielleicht von den Menschen dieses Jahrhunderts die meisten guten und schlimmen Dinge über die Seele gelaufen sind, an R[ichard] W[agner]. Später gedachte ich die deutsche Tugend zu “verführen”—denn es ist mir gut bekannt, wie gefährlich es in den Zwanziger Jahren in einem Deutschen zugeht. Noch später machte ich mir eine Sprache für verwegene Mannsköpfe und Mannsherzen zurecht, die irgendwo in einem Winkel der Erde auf meine wunderlichen Dinge warten mochten. Endlich—doch man wird es nicht glauben, zu welchem “endlich” ich gelangte. Genug, ich erdichtete “Also sprach Zarathustra.”
Soll ich es gestehen? Ich fand Keinen bisher, aber immer wieder irgend eine wunderliche Form jener “rasenden Dummheit,” welche sich gerne noch als Tugend anbeten lassen möchte: ich nenne sie am liebsten “die moralische Tartüfferie,” ehre sie als das Laster unseres Jahrhunderts und bin bereit, ihr noch hundert Fluchworte beizugesellen.