November 1887 - März 1888 11 [1-100]
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[Vgl. Edmond and Jules Huot de Goncourt, Journal des Goncourt. Mémoires de la vie littéraire. Vol. 2: 1862-1865. 11. März 1862. Paris: Charpentier, 1887.]
| (311) | Zur Psychologie der “Hirten.” Die grossen Durchschnittlichen. |
Kann man sich verbergen, daß ein Geist und Geschmack durchschnittlich sein muß, um tiefe breite populäre Wirkungen zu hinterlassen, und daß z.B. es noch nicht zu Unehren Voltaire’s verstanden werden darf, wenn ihn der Abbé Trublet mit allerbestem Rechte “la perfection de la médiocrité” genannt hat? (—wäre er das nämlich nicht gewesen, wäre er eine Ausnahme gewesen, wie etwa der Neapolitaner Galiani eine Ausnahme war, jener tiefste und nachdenklichste Hanswurst, den jenes heitere Jahrhundert hervorgebracht hat, woher dann seine Kraft zu führen? woher sein übergewicht über seine Zeit?) Man könnte übrigens das Gleiche auch noch in Hinsicht auf einen viel populäre[re]n Fall behaupten: auch der Stifter des Christenthums muß etwas von einer “perfection de la médiocrité” gewesen sein. Lasse man sich doch einmal die Hauptsätze jenes berühmten Evangeliums der Bergpredigt zu einer Person concresciren:—man wird hinterdrein darüber nicht mehr in Zweifel sein, weshalb gerade ein solcher Hirt und Bergprediger verführerisch auf alle Art Heerdenthier gewirkt hat.