November 1887 - März 1888 11 [1-100]
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(329) Unlust und Lust sind die denkbar dümmsten Ausdrucksmittel von Urtheilen: womit natürlich nicht gesagt ist, daß die Urtheile, welche hier auf diese Art laut werden, dumm sein müßten. Das Weglassen aller Begründung und Logicität, ein Ja oder Nein in der Reduktion auf ein leidenschaftliches Haben-wollen oder Wegstoßen, eine imperativische Abkürzung, deren Nützlichkeit unverkennbar ist: das ist Lust und Unlust. Ihr Ursprung ist in der Central-Sphäre des Intellekts; ihre Voraussetzung ist ein unendlich beschleunigtes Wahrnehmen, Ordnen, Subsumiren, Nachrechnen, Folgern: Lust und Unlust sind immer Schlußphänomene, keine “Ursachen” ...
Die Entscheidung darüber, was Unlust und Lust erregen soll, ist vom Grade der Macht abhängig: dasselbe, was in Hinsicht auf ein geringes Quantum Macht als Gefahr und Nöthigung zu schnellster Abwehr erscheint, kann bei einem größeren Bewußtsein von Machtfülle eine wollüstige Reizung, ein Lustgefühl als Folge haben.
Alle Lust- und Unlustgefühle setzen bereits ein Messen nach Gesammt-Nützlichkeit, Gesammt-Schädlichkeit voraus: also eine Sphäre, wo das Wollen eines Ziels (Zustands) und ein Auswählen der Mittel dazu stattfindet. Lust und Unlust sind niemals “ursprüngliche Thatsachen”
Lust- und Unlustgefühle sind Willens-Reaktionen (Affekte), in denen das intellekt[uelle] Centrum den Werth gewisser eingetretener Veränderung[en] zum Gesammt-Werthe fixirt, zugleich als Einleitung von Gegenaktionen.