Winter 1870-71 - Herbst 1872 8 [1-121]
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Dritte Quelle der Glaube an die Masse, der Unglaube an den Genius. Goethe sagt, das Genie hänge gewöhnlich durch eine Schwäche mit seiner Zeit zusammen. [Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen. In: Goethe's sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Bd. 3. Stuttgart; Augsburg; Tübingen: J. G. Cotta, 1855: 204. "Die größten Menschen hängen immer mit ihrem Jahrhundert durch eine Schwachheit zusammen."] Umgekehrt der allgemeine Glaube, daß das Genie alle seine Stärken der Zeit verdanke, und somit nur seine Schwächen für sich und von sich habe. Hier ist eine Verwechslung sehr gewöhnlich: ein Volk bekommt in seinen Genien das eigentliche Recht zur Existenz, seine Rechtfertigung; die Masse produzirt den Einzelnen nicht, im Gegentheil, sie widerstrebt ihm. Die Masse ist ein schwer zu behauender Steinblock: ungeheure Arbeit der Einzelnen nöthig, um etwas Menschenähnliches daraus zu machen.— Die allgemeine Bildung jetzt geradezu als Dogma. Jetzt müsse man in der Reihe stehen, ehedem sei es die Zeit großer Einzelner gewesen. Jetzt nur nöthig Diener der Masse, in specie Diener einer Partei zu sein. Bildungsziel: eine Partei zu begreifen und ihr sein Leben unterzuordnen.— Man hat so viel von Volkspoesie etc. gesprochen: immer sind es die großen Einzelnen: die oftmals vergessen werden.