Frühjahr-Sommer 1888 16 [1-89]
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Richard Wagner bleibt, bloß in Hinsicht auf seinen Werth für Deutschland und deutsche Cultur abgeschätzt ein großes Fragezeichen, ein deutsches Unglück vielleicht, ein Schicksal in jedem Falle: aber was liegt daran? Ist er nicht sehr viel mehr,—als bloß ein deutsches Ereigniß? ... Es will mir sogar scheinen, daß er nirgendswo weniger hingehört als nach Deutschland; nichts ist daselbst auf ihn vorbereitet, sein ganzer Typus steht unter Deutschen einfach fremd, wunderlich, unverstanden, unverständlich da. Aber man hütet sich, das sich einzugestehen: dazu ist man zu gutmüthig, zu viereckig, zu deutsch. “Credo quia absurdus est”: so will es und wollte es auch in diesem Fall deutscher Geist—und so glaubt er einstweilen Alles, was Wagner über sich selbst geglaubt haben wollte. Der deutsche Geist hat zu allen Zeiten in psychologicis der Feinheit und Divination ermangelt. Heute, wo er unter dem Hochdruck der Vaterländerei und Selbstbewunderung steht, verdickt und vergröbert er sich zusehends: wie sollte er dem Problem Wagner gewachsen sein! —