August-September 1885 40 [1-70]
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Das Urtheil, das ist der Glaube: “dies und dies ist so.” Also steckt im Urtheile das Geständniß, einem identischen Fall begegnet zu sein: es setzt also Vergleichung voraus, mit Hülfe des Gedächtnisses. Das Urtheil schafft es nicht, daß ein identischer Fall da zu sein scheint. Vielmehr es glaubt einen solchen wahrzunehmen; es arbeitet unter der Voraussetzung, daß es überhaupt identische Fälle giebt. Wie heißt nun jene Funktion, die viel älter, früher arbeitend sein muß, welche an sich ungleiche Fälle ausgleicht und anähnlicht? Wie heißt jene zweite, welche, auf Grund dieser ersten usw. “Was gleiche Empfindungen erregt, ist gleich”: wie aber heißt das, was Empfindungen gleich macht, als gleich “nimmt”?— Es könnte gar keine Urtheile geben, wenn nicht erst innerhalb der Empfindungen eine Art Ausgleichung geübt wäre: Gedächtniß ist nur möglich mit einem beständigen Unterstreichen des schon Gewohnten, Erlebten— —Bevor geurtheilt wird, muß der Prozeß der Assimilation schon gethan sein: also liegt auch hier eine intellektuelle Thätigkeit, die nicht in’s Bewußtsein fällt, wie beim Schmerz infolge einer Verwundung. Wahrscheinlich entspricht allen organischen Funktionen ein inneres Geschehen, also ein Assimiliren, Ausscheiden, Wachsen usw.
Wesentlich, vom Leibe ausgehen und ihn als Leitfaden zu benutzen. Er ist das viel reichere Phänomen, welches deutlichere Beobachtung zuläßt. Der Glaube an den Leib ist besser festgestellt als der Glaube an den Geist.
“Eine Sache mag noch so stark geglaubt werden: darin liegt kein Kriterium der Wahrheit.” Aber was ist Wahrheit? Vielleicht eine Art Glaube, welche zur Lebensbedingung geworden ist? Dann freilich wäre die Stärke ein Kriterium. Z. B. in Betreff der Causalität.