August-September 1885 40 [1-70]
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Abgesehn von den Gouvernanten, welche auch heute noch an die Grammatik als veritas aeterna und folglich als Subjekt Prädikat und Objekt glauben, ist Niemand heute mehr so unschuldig, noch in der Art des Descartes das Subjekt “ich” als Bedingung von “denke” zu setzen; vielmehr ist durch die skeptische Bewegung der neueren Philosophie die Umkehrung, nämlich das Denken als Ursache und Bedingung sowohl von “Subjekt” wie von “Objekt,” wie von “Substanz” wie von “Materie” anzunehmen, uns glaubwürdiger geworden: was vielleicht nur die umgekehrte Art des Irrthums ist. So viel ist gewiß:—wir haben die “Seele” fahren lassen und folglich auch die “Weltseele,” die “Dinge an sich” so gut einen Welt-Anfang, eine “erste Ursache.” Das Denken ist uns kein Mittel zu “erkennen,” sondern das Geschehen zu bezeichnen, zu ordnen, für unsern Gebrauch handlich zu machen: so denken wir heute über das Denken: morgen vielleicht anders. Wir begreifen nicht recht mehr, wie “Begreifen” nöthig sein sollte, noch weniger, wie es entstanden sein sollte: und ob wir fortwährend in die Noth kommen, mit der Sprache und den Gewohnheiten des Volks-Verstandes uns behelfen zu müssen, so spricht der Anschein des beständigen Sich-widersprechens noch nicht gegen die Berechtigung unsres Zweifels. Auch in Betreff der “unmittelbaren Gewißheit” sind wir nicht mehr so leicht zu befriedigen: wir finden “Realität” und “Schein” noch nicht im Gegensatz, wir würden vielmehr von Graden des Seins—und vielleicht noch lieber von Graden des Scheins—reden und jene “unmittelbare Gewißheit” z. B. darüber, daß wir denken und daß folglich Denken Realität hat, immer noch mit dem Zweifel durchsäuern, welchen Grad dieses Sein hat; ob wir vielleicht als “Gedanken Gottes” zwar wirklich, aber flüchtig und scheinbar wie Regenbogen sind. Gesetzt, es gäbe im Wesen der Dinge etwas Täuschendes Närrisches etwas Betrügerisches, so würde der allerbeste Wille de omnibus dubitare, nach Art des Cartesius, uns nicht vor den Fallstricken dieses Wesens hüten; und gerade jenes Cartesische Mittel könnte ein Hauptkunstgriff sein, uns gründlich zu foppen und für Narren zu halten. Schon insofern wir doch, nach der Meinung des Cartesius, wirklich Realität hätten, müßten wir ja als Realität an jenem betrügerischen täuschenden Grunde der Dinge und seinem Grund-Willen irgendwie Antheil haben:—genug, “ich will nicht betrogen werden” könnte das Mittel eines tieferen feineren gründlicheren Willens sein, der gerade das Umgekehrte wollte: nämlich sich selber betrügen.
In summa: es ist zu bezweifeln, daß “das Subjekt” sich selber beweisen kann—dazu müßte es eben außerhalb einen festen Punkt haben und der fehlt!