August-September 1885 40 [1-70]
40 [23]
Seien wir vorsichtiger als Cartesius, welcher in dem Fallstrick der Worte hängen blieb. Cogito ist freilich nur Ein Wort: aber es bedeutet etwas Vielfaches: manches ist vielfach, und wir greifen derb darauf los, im guten Glauben, daß es Eins sei. In jenem berühmten cogito steckt 1) es denkt 2) und ich glaube, daß ich es bin, der da denkt, 3) aber auch angenommen, daß dieser zweite Punkt in der Schwebe bliebe, als Sache des Glaubens, so enthält auch jenes erste “es denkt” noch einen Glauben: nämlich, daß “denken” eine Thätigkeit sei, zu der ein Subjekt, zum mindesten ein “es” gedacht werden müsse:—und weiter bedeutet das ergo sum nichts! Aber dies ist der Glaube an die Grammatik, da werden schon “Dinge” und deren “Thätigkeiten” gesetzt, und wir sind ferne von der unmittelbaren Gewißheit. Lassen wir also auch jenes problematische “es” weg und sagen wir cogitatur als Thatbestand ohne eingemischte Glaubensartikel: so täuschen wir uns noch einmal, denn auch die passivische Form enthält Glaubenssätze und nicht nur “Thatbestände”: in summa, gerade der Thatbestand läßt sich nicht nackt hinstellen, das “Glauben” und “Meinen” steckt in cogito des cogitat und cogitatur: wer verbürgt uns, daß wir mit ergo nicht etwas von diesem Glauben und Meinen herausziehn und daß übrig bleibt: es wird etwas geglaubt, folglich wird etwas geglaubt—eine falsche Schlußform! Zuletzt müßte man immer schon wissen, was “sein” ist, um ein sum aus dem cogito herauszuziehn, man müßte ebenso schon wissen, was wissen ist: man geht vom Glauben an die Logik—an das ergo vor Allem!—aus, und nicht nur von der Hinstellung eines factums!— Ist “Gewißheit” möglich im Wissen? ist unmittelbare Gewißheit nicht vielleicht eine contradictio in adjecto? Was ist Erkennen im Verhältniß zum Sein? Für den, welcher auf alle diese Fragen schon fertige Glaubenssätze mitbringt, hat aber die Cartesianische Vorsicht gar keinen Sinn mehr: sie kommt viel zu spät. Vor der Frage nach dem “Sein” müßte die Frage vom Werth der Logik entschieden sein.