August-September 1885 40 [1-70]
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So wie Mathematik und Mechanik lange Zeiten als Wissenschaften mit absoluter Gültigkeit betrachtet wurden und erst jetzt sich der Verdacht zu entschleiern wagt, daß sie nichts mehr und nichts weniger sind als angewandte Logik auf die bestimmte unbeweisliche Annahme hin, daß es “identische Fälle” giebt—Logik selber aber eine consequente Zeichenschrift auf Grund der durchgeführten Voraussetzung (daß es identische Fälle giebt)—: so galt ehemals auch das Wort schon als Erkenntniß eines Dings, und noch jetzt sind die grammatischen Funktionen die bestgeglaubten Dinge, vor denen man sich nicht genug hüten kann. Es ist möglich, daß dieselbe Art Mensch, die später Vedanta-Philosophien ausdachte, Jahrtausende früher vielleicht auf der Grundlage unvollkom Sprachen sich eine philosophische Sprache ausdachte, nicht, wie sie meinten, als Zeichenschrift, sondern als “Erkenntniß der Welt” selber: aber welches “das ist” bisher auch aufgestellt wurde, eine spätere und feinere Zeit hat immer wieder daran aufgedeckt, daß es nicht mehr ist als “das bedeutet.” Noch jetzt ist die eigentliche Kritik der Begriffe oder (wie ich es einst bezeichnete) eine wirkliche “Entstehungsgeschichte des Denkens” von den meisten Philos nicht einmal geahnt. Man sollte die Werthschätzungen aufdecken und neu abschätzen, welche um die Logik herum liegen: z. B. “das Gewisse ist mehr werth als das Ungewisse” “das Denken ist unsre höchste Funktion”; ebenso den Optimismus im Logischen, das Siegesbewußtsein in jedem Schlusse, das Imperativische im Urtheil, die Unschuld im Glauben an die Begreifbarkeit im Begriff.