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Das Volkslied—einzig wahrhaft volksthümliche Kunst?
Ist das Volkslied nicht vielleicht das Überbleibsel der ehemaligen Kunstmusik?
Haben die Griechen ein Volkslied?— Nein.
Goethe und das Volkslied: einzige ächte Form der Kunst? [Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Deutsche Literatur. In: Sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Bd. 32. Stuttgart; Augsburg; Tübingen: J. G. Cotta, 1857:157.]
Es wirkt auf uns durch das Medium des Idyllisch-Elegischen.
Das Volkslied zeigt, was wir von der Kunst wollen.
Das Volkslied wirkliches Regulativ und anerkannte Macht—wirkt elegisch—zeigt, B@Ø 6"Â B`hg< º:Ã< ¦FJÂ< º JXP<0.
Auch Shakespeare genießen wir so, als Natur.
Der Kultus der Natur: das ist unsere wahrhafte Kunstempfindung.
Je mächtiger und zauberischer die Natur dargestellt wird, um so mehr glauben wir an sie.
Goethe über die Natur—als Jüngling. Bd. 40, 389. [Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Einleitung in die Propyläen. In: Goethe's sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Bd. 30. Stuttgart; Augsburg; Tübingen: J. G. Cotta, 1857:279. Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Naturwissenschaft im Allgemeinen. In: Goethe's sämmtliche Werke in vierzig Bänden. Bd. 40. Stuttgart; Augsburg; Tübingen: J. G. Cotta, 1858:389.]
Die Kunst ist für uns Beseitigung der Unnatur, Flucht vor der Kultur und Bildung.
Wir erfreuen uns der Leidenschaft—als einer natürlichen Kraft. Darum sind unsre Dichter pathologisch.
Die germanische Ansicht von der Natur—nicht die aufklärerische des Romanismus, mit seinem Emile.
Der germanische Pessimismus—dabei starre Moralisten, Schopenhauer und kategorischer Imperativ!
Wir thun unsre Pflicht und verwünschen die ungeheure Last der Gegenwart—wir brauchen eine besondere Art der Kunst. Sie hält für uns Pflicht und Dasein zusammen. Dürer’s Bild vom Ritter Tod und Teufel als Symbol unsres Daseins.