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Der idyllische Urbegriff der Oper: hier wird die Unmöglichkeit der Kunst in der neueren, vom Mittelalter erlösten Welt klar. Man benutzt die Symbole der Musik zur Darstellung einer geträumten Urzeit, d. h. einer künstlerischen Zeit. (Die katholische Welt konnte noch eine Kunst erzeugen.) Die Renaissance gebar die Oper.
Das Publikum zwang jetzt den Künstler: es war die Sehnsucht der Gebildeten, nach einem künstlerischen Leben.
Die Oper hat jetzt in dem idealen Stil geherrscht. Die klassische Tragödie der Franzosen ist eine Nachahmung der heroischen Oper.
Goethe giebt zu, daß er pathologisch dichte: ob nicht die großen Griechen auch der Tragoedie gegenüber unpathologisch dichteten? Gewiß. Sie waren ohne jede Leidenschaft dabei. [Vgl. Friedrich Schiller; Johann Wolfgang von Goethe, Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in den Jahren 1794 bis 1805. Bd. 1: Vom Jahre 1794 bis 1797. Stuttgart: Cotta, 1870: 416.]
Wir gebrauchen die Musik als eine noch nicht in Begriffe aufgelöste Kunst.
Der Fortschritt zur Symphonie, bei Wagner. Ein Nebeneinander beider Welten ohne Beeinträchtigung. Der Mimus der Alten (bei Lucian) zu vergleichen.
Die antike Tragödie: der Chor, der einen apollinischen Traum träumte.
Die Oper-Tragödie: — — —
Der Operntext: von der Marionette her. Der Gedanke ist ausgeschlossen: nur zur Verständlichung des Mimus. Die Sprache ist nur des Mimus wegen da: Substrat des Gesanges.
Die Vollendung der idyllischen Operntendenz durch Wagner.
Die neue Stellung der Kunst als eine rührende Erinnerung an eine künstlerische Zeit.
Das Volkslied wird nur unter dieser Empfindung genossen.
Die Musik als allgemein-unnational-unzeitliche Kunst ist die einzige blühende. Sie vertritt für uns die ganze Kunst und die künstlerische Welt. Darum erlöst sie.