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Die Alten ihren Dramen gegenüber nicht pathologisch: als potenzirte Schauspieler. Bei uns Dichter und Zuschauer pathologisch. Wodurch heben wir das Drama auf eine ideale Höhe: durch den Chor? Im rein Unmöglichen ist vielleicht wieder eine aesthetische Stimmung möglich. Durch die Stilistik und Convention der französischen Tragoedie? Beides versuchen unsere Dichter.
Hoffnung Schiller’s auf die Oper.
Stellung zur Musik wie der Schauspieler zu seinen Rollen: d. h. dramatische Musik.
Der Mangel des Symbols in unserer modernen Welt. Verständniß der Welt in “Symbolen” ist die Voraussetzung einer großen Kunst. Für uns ist die Musik zum Mythus, zu einer Welt von Symbolen geworden: wir verhalten uns zur Musik, wie der Grieche zu seinen symbolischen Mythen.
Eine Menschheit, die die Welt nur abstrakt, nicht in Symbolen sieht, ist kunstunfähig. Wir haben die Idee an Stelle des Symbols, daher die Tendenz als künstlerischen Leitstern.
Nun giebt es Menschen, die die Welt als Musik, also symbolisch verstehen. Das musikalische Anschauen der Dinge ist eine neue Kunstmöglichkeit.
Also ein Ereigniß nicht auf seine darinliegenden Ideen, sondern auf seine Musiksymbolik hin ansehen: d. h. die dionysische Symbolik wird fortwährend bei irgendeinem Dinge empfunden. Die antike Fabel symbolisirte. das Dionysische (in Bildern). Jetzt symbolisirt das Dionysische das Bild.
Das Dionysische wurde durch das Bild erklärt.
Jetzt wird das Bild durch das Dionysische erklärt.
Also völlig umgekehrtes Verhältniß.
Wie ist das möglich?— Wenn das Bild doch ein Gleichniß des Dionysischen sein kann?— Die Alten suchten das Dionysische durch das Gleichniß des Bildes zu fassen. Wir setzen das dionysische Verständniß voraus und suchen das Bildgleichniß zu fassen. Wir und sie vergleichen: ihnen lag an dem Gleichnißartigen des Bildes: uns am Allgemein-Dionysischen.
Ihnen war die Bilderwelt das an sich Klare, uns ist es das Dionysische.