Frühjahr-Sommer 1883 7 [1-100]
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Zur Einleitung.
Absolute Ehrlichkeit—bis jetzt fehlend bei Moralisten. Jede Schwäche des Charakters wird sich an der Untersuchung kundgeben.
Sodann historischer Sinn.
Tapferkeit gegen die eigenen Neigungen zur Werthschätzung.
Altes Ziel: die Erzeugung höherer Menschen, die Verwendung der Menschenmassen als Mittel dazu.
Zum Plane.
Jede objektive Verbindlichkeit fehlt. Die Übereinstimmung Aller ein lebensfeindliches Princip.
Es sind Befehle von Individuen: eine unbewußte Sklaverei
es ist eine Forderung der Ehrlichkeit, was man der Nützlichkeit wegen thut, auch als solche zu bezeichnen.
Motive der Ehrlichkeit usw. liegen in den Antrieben der Mächtigen: in derselben Sphäre wächst auch die Emancipation von der Moral.
Unverantwortlichkeit positiv wenden: wir wollen unser Bild vom Menschen durchsetzen. Daß man’s kann!—ist die Sache! Wer sich unterworfen fühlt, gehört in die niedere Ordnung. Es muß “Sklaven” geben.
Man übersah bisher das Individuelle als schöpferisch: man sah nur Verbrecher usw. man übersah den Haupt-Verbrecher
Homer Michel Angelo.
Möglichste Verschiedenheit der Individuen! Entfesselung des Kampfes!
Man will zu einer Ethik: und weil man vom Egoismus aus sie nicht glaubt finden zu können, flüchtet man zur Autorität, zum Herkommen.
der sittliche Geschmack ist eine Sache ohne Gründe—aber er ist entstanden einmal als Zwang, in Folge von anderen Trieben, welche ein bestimmtes Urtheil und Werthschätzen aufnöthigten.
Wo wir unsre Gefühle nicht mehr wegen ihrer Complizirtheit der Entstehung abzuleiten wissen, da setzen wir sie an als etwas Anderes: so sind die aesthetischen ethischen moralischen metaphysischen Triebe zu verstehen.
Wir empfinden einen Namen und meinen, ihm entspreche etwas Neues.
NB. Die moral[ische] Denkweise folgt unsrer Handlungsweise, aber führt sie nicht!
Wo kein Trieb zum Gehorchen da ist, da hat ein “Du sollst” keinen Sinn.
So wie wir sind—so werden wir widerspenstig bei einem “Du sollst.” Unsere Moral muß heißen “ich will.”