Frühjahr-Sommer 1883 7 [1-100]
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Meine Forderung: Wesen hervorzubringen, welche über der ganzen Gattung “Mensch” erhaben dastehen: und diesem Ziele sich und “die Nächsten” zu opfern.
Die bisherige Moral hatte ihre Grenze innerhalb der Gattung: alle bisherigen Moralen waren nützlich, um der Gattung zuerst unbedingte Haltbarkeit zu geben: wenn diese erreicht ist, kann das Ziel höher genommen werden.
Die eine Bewegung ist unbedingt: die Nivellirung der Menschheit, große Ameisen-Bauten usw. (Dühring zu charakterisiren als außerordentlich ärmlich und typisch-gering, trotz seinen pathetischen Worten)
Die andere Bewegung: meine Bewegung: ist umgekehrt die Verschärfung aller Gegensätze und Klüfte, Beseitigung der Gleichheit, das Schaffen Über-Mächtiger.
Jene erzeugt den letzten Menschen. Meine Bewegung den Übermenschen.
Es ist durchaus nicht das Ziel, die letzteren als die Herren der Ersteren aufzufassen: sondern: es sollen zwei Arten neben einander bestehen—möglichst getrennt; die eine wie die epikurischen Götter, sich um die andere nicht kümmernd.
Grundsätze: es hat keine moralischen Handlungen gegeben. Und es ist jede Moral unmöglich: ebenso wie jede moralische Handlung.
Aber Geschichte dessen, was bisher als moralische Handlung gegolten hat: und wahre Bedeutung desselben. Und Geschichte der Entstehung dieser Geltungen.
Sie gehen alle vom Glauben aus, daß die Moralität selber da sei, mindestens als bewußter Maaßstab (wie bei Kant), daß es bekannt sei, was gut und böse ist.
Die wesentliche Unerkennbarkeit.
Es wird nothwendig Etwas erreicht: aber schon ein Wissen darum ist unmöglich, also auch ein Vorherwissen!
Wichtigster Gesichtspunkt: die Unschuld des Werdens zu gewinnen, dadurch daß man die Zwecke ausschließt. Nothwendigkeit, Causalität—nichts mehr! Und alles das als Verlogenheit zu bezeichnen, dort von “Zweck” zu reden, wo immer ein nothwendiges Resultat vorliegt! Die Geschichte kann niemals “die Zwecke” beweisen: denn allein klar ist, daß, was Völker und Einzelne gewollt haben, immer etwas wesentlich Anderes war als das, was erreicht wurde—kurz, daß alles Erreichte dem Gewollten absolut incongruent ist (z.B. Kauen als “Absicht” und “Aktion”)
Geschichte der “Absichten” ist etwas Anderes als Geschichte der “Thatsachen”:—in der Moral. Es ist das gemeinste Vorurtheil, welches von der Handlung nicht mehr sieht als was an ihr sich mit dem Beabsichtigten Zwecke deckt. Es ist dieses Augenmerk auf Zwecke ein Zeichen der tiefen Stufe des Intellekts—alles Wesentliche, die Handlung selber und das Resultat werden übersehen!