Frühjahr-Sommer 1883 7 [1-100]
7 [7]
Reden an meine Freunde.
Ich habe mich immer darum bemüht, die Unschuld des Werdens mir zu beweisen: und wahrscheinlich wollte ich so das Gefühl der völligen “Unverantwortlichkeit” gewinnen—mich unabhängig machen von Lob und Tadel, von allem Heute und Ehedem: um Ziele zu verfolgen, die sich auf die Zukunft der Menschheit beziehen.
Die erste Lösung war mir die aesthetische Rechtfertigung des Daseins. Indessen: “rechtfertigen” selber sollte nicht nöthig sein! Moral gehört in’s Reich der Erscheinung.
Die zweite Lösung war mir die objektive Werthlosigkeit aller Schuld-Begriffe und die Einsicht in den subjektiven, nothwendig ungerechten und unlogischen Charakter alles Lebens.
Die dritte Lösung war mir die Leugnung aller Zwecke und die Einsicht in die Unerkennbarkeit der Causalitäten.
die Erlösung durch den Schein: das principium individuationis mit aller Moral für das Individuum eine erlösende Vision.
Moral Mittel, innerhalb der Individuation zu bleiben und nicht in das Urleiden zurückverschlungen zu werden.
die Kunst als die “eigentlich metaphysische Thätigkeit des Menschen.”
daß das “Leben im Grunde der Dinge trotz allem Wechsel der Erscheinungen unzerstörbar mächtig und lustvoll sei” p. 54. als Trost der Tragödie.
Ihn rettet die Kunst (vor einer Verneinung des Willens): und durch die Kunst rettet ihn sich das Leben.
Ein Protest gegen den Pessimismus: vom Standpunkte der Griechen aus. Der “tiefsinnige und zum zartesten und schwersten Leiden einzig befähigte” Grieche.
Die Musik als die bei weitem lebendigste Kunst.
Die Aufgabe der Musik in einem zerdachten Zeitalter, das denkmüde ist:
p.82 Die Wissenschaft immer wieder an ihre Grenzen geführt muß in Kunst umschlagen—das, was sie führt, ist der Wahn, sie könne das Dasein corrigiren.
Sokrates durch Wissen und Gründe der Todesfurcht enthoben.
die Bestimmung der Wissenschaft, das Dasein als begreiflich und damit als gerechtfertigt erscheinen zu machen: wozu zuletzt, wenn die Gründe nicht reichen, auch der Mythus dienen muß—auf den ist es abgesehen im Grunde!
Wäre jene Summe von Kraft nicht auf Erkenntniß verwendet worden, sondern auf die praktischen Ziele der Völker und Menschen, so wäre die Lust am Leben so abgeschwächt, daß eine Ethik der Vernichtung aus Mitleid hätte entstehen können (Die Inder zu schwach und passiv selbst in ihrem Mitleiden)
die tragische Erkenntniß braucht die Kunst, “die in’s Unaufhellbare starrt”
Die Kunst als abhängig dargestellt von der Entwicklung der Erkenntniß: sie bricht dort heraus, wo die Erkenntniß sich selber verzehrt.
Wir sollen die Lust nicht in den Erscheinungen, sondern hinter ihnen suchen.
p. 92 Quintessenz.
p. 102. die Selbstvernichtung der Erkenntniß und Einsicht in ihre letzten Grenzen war das, was mich für Kant und Schopenhauer begeisterte. Aus dieser Unbefriedigung glaubte ich an die Kunst.
Ich meinte, ein neues Zeitalter für die Kunst sei gekommen. Ich empfand das Resultat der Philosophie als ein tragisches Ereigniß: wie aushalten!
Mir schien W[agner] ein Mittel, die D[eutschen] dem Christenthum zu entfremden
sein altersmüdes Werk Parsifal spricht auch nicht dagegen noch weniger die blindwüthigen Verehrer mit ihren geschundenen Knien und Gehirnen.
Glaube an die Wiedergeburt der griechischen Welt p. 117.
“ein anderes Sein und eine höhere Lust, zu denen sich der kämpfende Held nicht durch seine Siege, sondern durch seinen Untergang vorbereitet” p. 120.
“Erst ein mit Mythen umstellter Horizont schließt eine ganze Culturbewegung zur Einheit ab” p. 132.
p. 136 antichristlich—in diesem Sinne,
p. 142 ” ” ” deutsche Hoffnung