Frühjahr-Sommer 1883 7 [1-100]
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Ich betrachte die griechische Moralität als die höchste bisherige; was mir bewiesen damit ist, daß sie [es] mit ihrem leiblichen Ausdruck auf das Höchste bisher gebracht hat. Dabei aber meine ich die thatsächliche Volks-Moralität,—nicht die von den Philosophen vertretene: mit Socrates beginnt der Niedergang der Moral: es sind lauter Einseitigkeiten in den verschiedenen Systemen, die ehemals Glieder eines Ganzen waren—es ist das auseinandergefallene ältere Ideal. Dazu kommt der vorherrschend plebejische Charakter, es sind Menschen ohne Macht, bei Seite Gestellte, Gedrückte usw.
In der neueren Zeit hat die italienische Renaissance den Menschen am höchsten gebracht: “der Florentiner”—aus ähnlichen Gründen. Man sieht auch da die einzelnen Bedingungen, neben den vollkommenen und ganzen Menschen, wie Bruchstücke: z.B. “der Tyrann” ist ein solches Bruchstück: der Kunstliebhaber.
Vielleicht war der Provençale schon ein solcher Höhepunkt in Europa—sehr reiche, vielartige, doch von sich beherrschte Menschen, die sich ihrer Triebe nicht schämten.