Frühjahr-Sommer 1883 7 [1-100]
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Wer Anderen nützt, warum soll der besser sein als wenn er sich nützt? Doch nur, wenn der Nutzen, den er Anderen erweist, in einem absoluten Sinn höherer Nutzen ist als der welchen er sich erweist. Sind die Anderen weniger werth, so wird er, wenn er sich nützt, selbst auf Unkosten der Anderen, Recht handeln.
Alles Gerede von “Nutzen” setzt schon voraus, daß das, was den Menschen nützlich ist, definirt sei: mit anderen Worten, Nützlich wozu! d.h. der Zweck des Menschen ist schon voraus genommen. Erhaltung, Glücklich-machen usw. wenn das Zwecke sind: so sind doch auch unter Umständen die Gegentheile die höheren Zwecke z. B. bei einer pessimistischen Ansicht vom Leben und Leiden.
Also ein Glaube ist schon vorausgesetzt—beim Lobe des Uneigennützigen: daß das ego nicht verdiene, dem ego Anderer vorgezogen zu werden? Dem widerstreitet aber die höhere Taxation des Uneigennützigen: gerade es wird ja angenommen, daß er eine seltnere Art sei. Weshalb soll nun der seltnere höhere Mensch sich aus dem Auge verlieren?— Er soll’s gar nicht, es ist eine Dummheit, aber er thut’s: und die Anderen haben den Vortheil davon und sind ihm dafür dankbar: sie loben ihn.— Also die Egoisten loben den Unegoistischen, weil er so dumm ist, ihren Vortheil seinem Vortheile voranzustellen: weil er so handelt, wie sie nicht handeln würden—aber zu ihren Gunsten.