Ende 1886 - Frühjahr 1887 7 [1-70]
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Ethik oder “Philosophie der Wünschbarkeit.” “Es sollte anders sein,” es soll anders werden: die Unzufriedenheit wäre also der Keim der Ethik.
Man könnte sich retten, erstens indem man auswählt, wo man nicht das Gefühl hat; zweitens, indem man die Anmaaßung und Albernheit begreift: denn verlangen, daß Etwas anders ist als es ist, heißt: verlangen, daß Alles anders ist,—es enthält eine verwerfende Kritik des Ganzen—es ist insofern ... Aber Leben ist selbst ein solches Verlangen!
Feststellen, was ist, wie es ist, scheint etwas unsäglich Höheres, Ernsteres als jedes “so sollte es sein”: weil Letzteres, als menschliche Kritik und Anmaaßung, von vornherein zur Lächerlichkeit verurtheilt erscheint. Es drückt sich darin ein Bedürfniß aus, welches verlangt, daß unsrem menschlichen Wohlbefinden die Einrichtung der Welt entspricht; auch der Wille, so viel als möglich auf diese Aufgabe hin zu thun. Andrerseits hat nur dies [Verlan]gen “so sollte es sein” jenes andere Verlangen nach dem, was, ist, hervorgerufen: [das W]issen nämlich darum, was ist, ist bereits eine Consequenz jenes Fragens: “wie? ist [es] möglich? warum gerade so?” Die Verwunderung über die Nicht-Übereinstimmung unsrer Wünsche und des Weltlaufs hat dahin geführt, den Weltlauf kennen zu lernen. Vielleicht steht es noch anders: vielleicht ist jenes “so sollte es sein,” unser Welt-Überwältigungs-Wunsch, — —