Herbst 1887 9 [1-100]
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(32) Gegen 1876 hatte ich den Schrecken, mein ganzes bisheriges Wollen compromittirt zu sehn, als ich begriff, wohin es jetzt mit Wagner hinauswollte: und ich war sehr fest an ihn gebunden, durch alle Bande der tiefen Einheit der Bedürfnisse, durch Dankbarkeit, durch die Ersatzlosigkeit und absolute Entbehrung, die ich vor mir sah.
Um dieselbe Zeit schien ich mir wie unauflösbar eingekerkert in meine Philologie und Lehrthätigkeit—in einen Zufall und Nothbehelf meines Lebens—: ich wußte nicht mehr, wie herauskommen und war müde, verbraucht, vernutzt.
Um dieselbe Zeit begriff ich, daß mein Instinkt auf das Gegentheil hinauswollte als der Schopenhauers: auf eine Rechtfertigung des Lebens, selbst in seinem Furchtbarsten, Zweideutigsten und Lügenhaftesten:—dafür hatte ich die Formel “dionysisch” in den Händen.
(— daß ein “An-sich-der-Dinge” nothwendig gut, selig, wahr, eins sein müsse, dagegen war Schopenhauers Interpretation des An-sich’s als Wille ein wesentlicher Schritt: nur verstand er nicht diesen Willen zu vergöttlichen: er blieb im moralisch christlichen Ideal hängen
Schopenhauer stand so weit noch unter der Herrschaft der christlichen Werthe, daß nun, nachdem ihm das Ding an sich nicht mehr “Gott” war, es schlecht, dumm, absolut verwerflich sein mußte. Er begriff nicht, daß es unendliche Arten des Anders-sein-könnens, selbst des Gott-sein-könnens geben kann.
Fluch jener bornirten Zweiheit: Gut und Böse.