Herbst 1887 9 [1-100]
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(60) Die gelobten Zustände und Begierden:
friedlich, billig, mäßig, bescheiden, ehrfürchtig, rücksichtsvoll, tapfer, keusch, redlich, treu, gläubig, gerade, vertrauensvoll, hingebend, mitleidig, hülfreich, gewissenhaft, einfach, mild, gerecht, freigebig, nachsichtig, gehorsam, uneigennützig, neidlos, gütig, arbeitsam
NB zu unterscheiden: in wiefern solche Eigenschaften bedingt sind als Mittel zu einem bestimmten Willen und Zwecke (oft einem “bösen” Zwecke)
— oder als natürliche Folgen eines dominirenden Affekts (z.B. Geistigkeit)
— oder Ausdruck einer Nothlage, will sagen: als Existenzbedingung (z.B. Bürger; Sklave, Weib usw.)
Summa: sie sind allesammt nicht um ihrer selber willen als gut empfunden, alle nicht an und für sich “gut,” sondern bereits unter dem Maaßstab der “Gesellschaft,” “Heerde” als Mittel zu deren Zwecken, als nothwendig für deren Aufrechterhaltung und Förderung, als Folge zugleich eines eigentlichen Heerdeninstinktes im Einzelnen, somit im Dienste eines Instinktes, der grundverschieden von diesen Tugendzuständen ist: denn die Heerde ist nach außen hin feindselig, selbstsüchtig, unbarmherzig, voller Herrschsucht, Mißtrauen usw.
Im “Hirten” kommt der Antagonismus heraus: er muß die entgegengesetzten Eigenschaften der Heerde haben
Todfeindschaft der Heerde gegen die Rangordnung: ihr Instinkt zu Gunsten der Gleichmacher (Christus); gegen die starken Einzelnen (les souverains) ist sie feindselig, unbillig, maßlos, unbescheiden, frech, rücksichtslos, feig, verlogen, falsch, unbarmherzig, versteckt, neidisch, rachsüchtig.