Herbst 1887 9 [1-100]
9 [43]
(33) Die Frage des Nihilism “wozu?” geht von der bisherigen Gewöhnung aus, vermöge deren das Ziel von außen her gestellt, gegeben, gefordert schien—nämlich durch irgend eine übermenschliche Autorität. Nachdem man verlernt hat, an diese zu glauben, sucht man doch nach alter Gewöhnung nach einer anderen Authorität, welche unbedingt zu reden wüßte, Ziele und Aufgaben befehlen könnte. Die Autorität des Gewissens tritt jetzt in erste Linie (je mehr emancipirt von der Theologie, um so imperativischer wird die Moral); als Schadenersatz für eine persönliche Autorität. Oder die Autorität der Vernunft. Oder der sociale Instinkt (die Heerde) Oder die Historie mit einem immanenten Geiste, welche ihr Ziel in sich hat und der man sich überlassen kann. Man möchte herumkommen um den Willen, um das Wollen eines Zieles, um das Risico, sich selbst ein Ziel zu geben; man möchte die Verantwortung abwälzen (—man würde den Fatalism acceptiren) Endlich: Glück, und, mit einiger Tartüfferie, das Glück der Meisten
individuelle Ziele und deren Widerstreit
collektive Ziele im Kampf mit individuellen
Jedermann wird Partei dabei, auch die Philosophen.
| Man sagt sich | 1) ein bestimmtes Ziel ist gar nicht nöthig |
| 2) ist gar nicht möglich vorherzusehen |
Gerade jetzt, wo der Wille in der höchsten Kraft nöthig wäre, ist er am schwächsten und kleinmüthigsten.
Absolutes Mißtrauen gegen die organisatorische Kraft des Willens fürs Ganze.
Zeit, wo alle “intuitiven Wertschätzungen” der Reihe nach in den Vordergrund treten, als ob man von ihnen die Direktiven bekommen könne, die man sonst nicht mehr hat.
— “wozu?” die Antwort wird verlangt vom
1) Gewissen
2) Trieb zum Glück
3) “socialen Instinkt” (Heerde)
4) Vernunft (“Geist”)
— nur um nicht wollen zu müssen, sich selbst da “Wozu” setzen zu müssen.
5) endlich: Fatalismus, “es giebt keine Antwort” aber “es geht irgend wohin,” “es ist unmöglich, ein wozu? zu wollen,” mit Ergebung ... oder Revolte ... Agnosticismus in Hinsicht auf das Ziel
6) endlich Verneinung als Wozu des Lebens; Leben als etwas, das sich als unwerth begreift und endlich aufhebt.