Mai-Juli 1885 35 [1-84]
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Problem: viele Arten von großen Menschen sind vielleicht nicht mehr möglich? z.B. der Heilige. Vielleicht auch der Philosoph. Endlich das Genie? Die ungeheuren Distanz-Verhältnisse zwischen Mensch und Mensch haben vielleicht abgenommen? Mindestens hat das Gefühl dieser Distanz abgenommen, und das bringt als Wirkung eine weniger schroffe Haltung und Zucht mit sich, vermöge deren es der Mensch auch nicht mehr so hoch bringt, wie ehedem.— Wir bedürfen eines neuen Begriffs der Größe des Menschen; welcher wir fähig sind, und von der die Meisten von uns tief abgetrennt sind. Voilà: diese demokratische Welt verwandelt Jeden in eine Spezialität, also ist heute Größe das Universal-sein. Sie schwächt den Willen, also ist Stärke des Willens heute Größe. Sie entwickelt das Heerdenthier, also gehört Alleinstehn und Auf-eigene-Faust-leben heute zur Größe zu rechnen. Der umfänglichste Mensch, allein gehend, ohne Heerden-Instinkte, und mit einem unbezwinglichen Willen, welcher ihm erlaubt, viele Verwandlungen zu haben und unersättlich in neue Tiefen des Lebens zu tauchen.— Wir müssen die Größe des Menschen dort suchen, wo wir am wenigsten zu Hause sind. Für Zeitalter der Energie ist der sanfte entsagende beschauliche Mensch die große Ausnahme; es gehörte große innere Zucht und Härte dazu, um aus einem halbwilden Thiere zu einem Socrates zu werden. Der Indifferentism des Epicur wirkt fast wie eine Verklärung. Wir kommen zu entgegengesetzten Idealen: und zuerst haben wir die alten Ideale für uns selber zu zertrümmern.