Mai-Juli 1885 35 [1-84]
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Was mich am gründlichsten von den Metaphysikern abtrennt, das ist: ich gebe ihnen nicht zu, daß das “Ich” es ist, was denkt: vielmehr nehme ich das Ich selber als eine Construktion des Denkens, von gleichem Range, wie “Stoff” “Ding” “Substanz” “Individuum” “Zweck” “Zahl”: also nur als regulative Fiktion, mit deren Hülfe eine Art Beständigkeit, folglich “Erkennbarkeit” in eine Welt des Werdens hineingelegt, hineingedichtet wird. Der Glaube an die Grammatik, an das sprachliche Subjekt, Objekt, an die Thätigkeits-Worte hat bisher die Metaphysiker unterjocht: diesem Glauben lehrte ich abschwören. Das Denken setzt erst das Ich: aber bisher glaubte man, wie das Volk, im “ich denke” liege irgend etwas von Unmittelbar-Gewissem und dieses “Ich” sei die gegebene Ursache des Denkens, nach deren Analogie wir alle sonstigen ursächlichen Verhältnisse “verstünden.” Wie sehr gewohnt und unentbehrlich jetzt jene Fiktion auch sein mag, das beweist nichts gegen ihre Erdichtetheit: es kann etwas Lebensbedingung und trotzdem falsch sein.