Mai-Juli 1885 35 [1-84]
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Diese guten Europäer, die wir sind; was zeichnet uns vor dem M[enschen] der Vaterländer aus?
Erstens: wir sind Atheisten und Immoralisten, aber wir unterstützen zunächst die Religionen und Moralen des Heerden-Instinktes: mit ihnen nämlich wird eine Art Mensch vorbereitet, die einmal in unsere Hände fallen muß, die nach unserer Hand begehren muß.
Jenseits von Gut und Böse, aber wir verlangen die unbedingte Heilighaltung der Heerden-Moral.
Wir behalten uns viele Arten Philosophie vor, welche zu lehren noth thut: unter Umständen die pessimistische, als Hammer; ein europäischer Buddhismus könnte vielleicht nicht zu entbehren sein.
Wir unterstützen wahrscheinlich die Entwicklung und Ausreifung des demokratischen Wesens: es bildet die Willens-Schwäche aus: wir sehen im “Socialism”—einen Stachel, der vor der Bequemlichkeit — — —
Stellung zu den Völkern. Unsere Vorlieben; wir geben Acht auf die Resultate der Kreuzung.
Abseits, wohlhabend, stark: Ironie auf die “Presse” und ihre Bildung. Sorge, daß die wissenschaftlichen Menschen nicht zu Litteraten werden. Wir stehen verächtlich zu jeder Bildung, welche mit Zeitungswesen oder gar -schreiben sich verträgt.
Wir nehmen unsere zufälligen Stellungen (wie Goethe, Stendhal) unsere Erlebnisse als Unterkunfts-Hütten, wie sie ein Wanderer braucht und hinnimmt—wir hüten uns, heimisch zu werden.
Wir haben eine disciplina voluntatis vor unseren Mitmenschen voraus. Alle Kraft verwendet auf Entwicklung der Willens-kraft, eine Kunst, welche uns erlaubt, Masken zu tragen, des Verstehens jenseits der Affekte (auch “übereuropäisch” denken, zeitweilig)
Vorbereitung dazu, die Herren der Erde zu werden; die Gesetzgeber der Zukunft. Zum Mindesten aus unseren Kindern. Grundrücksicht auf die Ehen.